Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
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IBRRS 2025, 2250
OLG Hamm, Urteil vom 08.07.2025 - 21 U 2/23
1. Eine Vergütungspflicht des Auftraggebers nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B für Beschädigungen am Arbeitsgerät des Auftragnehmers aufgrund einer Eigenart des Baugrundes ist dem Bauvertragsrecht fremd.*)
2. Mehrkosten wegen von den Vorstellungen des Auftragnehmers abweichender Baugrundverhältnisse können nicht mit den allgemeinen Erwägungen geltend gemacht werden, den Bauherrn treffe das Baugrundrisiko.*)
3. Schlägt ein grundsätzlich geeignetet Verfahren fehl, ohne dass sich Leistungsziel und ausgeschriebener Baugrund geändert haben, fällt dies in den Risikobereich des Auftragnehmers, weil er den Erfolg seiner Werkleistung schuldet und der dafür anzustellende Aufwand grundsätzlich unbeachtlich ist. Daran ändert die Unvermeidbarkeit des eingetretenen Risikos nichts, da der Auftragnehmer verschuldensunabhängig für den Eintritt des vertraglich versprochenen Erfolges haftet.*)

IBRRS 2025, 2243

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.07.2025 - 15 Verg 9/25
1. Ein Angebot, das abweichende Angaben zu der in den Vergabeunterlagen verlangten Belieferung "frei Verwendungsstelle" enthält (hier: Lieferung "bis nach der ersten Tür"), ändert die Vergabeunterlagen unzulässig und ist deshalb von der Wertung auszuschließen.
2. Ein Angebot ist so auszulegen, wie es ein mit den Umständen des Einzelfalls vertrauter Dritter in der Lage der Vergabestelle nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste oder durfte.
3. Eine unzulässige nachträgliche Abänderung des Angebots ist anzunehmen, wenn sich (erstmals) im Zuge der Angebotsaufklärung herausstellt, dass das vom Bieter abgegebene Angebot nicht mit den Vorgaben der Vergabeunterlagen übereinstimmt.
4. Verstöße gegen interpretierbare oder missverständliche bzw. mehrdeutige Angaben in den Vergabeunterlagen führen nicht zum Angebotsausschluss.
5. Bei Rahmenverträgen über Massenwaren, die jederzeit in beliebiger Menge produziert oder beschafft werden können, in großem Umfang auch anderweitig absetzbar sind und langfristig kostengünstig gelagert werden können, bedarf es nicht der Angabe einer Mindestabnahmemenge.
6. Im Falle der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung sind in der entsprechenden (Auftrags-)Bekanntmachung und/oder in den Vergabeunterlagen sowohl die Schätzmenge als auch eine Höchstmenge der zu liefernden Waren anzugeben, und dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge nicht erreicht wird.
7. Die Angaben zur Höchstmenge werden nicht dadurch vergaberechtswidrig relativiert, dass sich der öffentliche Auftraggeber in den Vergabeunterlagen vorbehält, einzelne Positionen zu erhöhen bzw. zu reduzieren.
8. Führt die Bekanntmachung die Eignungskriterien nicht im Einzelnen auf, genügt die Angabe eines weiterführenden Links in den Bekanntmachung nur dann, wenn es sich um eine Verlinkung auf ein elektronisch ohne Weiteres zugängliches Dokument handelt, aus dem sich konkret die Eignungsanforderungen ergeben und ein weiterer Rechercheaufwand - um sich Kenntnis von den Eignungsanforderungen zu verschaffen - nicht entsteht.

IBRRS 2025, 2166

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.07.2025 - 10 A 738/23
1. Im Rahmen der Anhörung nach §§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO bedarf es keiner näheren Begründung für die in Betracht gezogene, der anschließenden Beratung und Beschlussfassung unterliegenden Entscheidung in der Sache.*)
2. Ein rückwirkendes Inkraftsetzen eines Bebauungsplans durch ein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB wirkt sich auf die Rechtmäßigkeit eines zwischenzeitlich erlassenen Bescheids aus.*)
3. Standen danach dem Vorhaben bei rechtlicher Betrachtung schon im Zeitpunkt der Ablehnung eines Bauantrags öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, scheidet die - auf der Grundlage des unwirksamen Bebauungsplans erfolgte - Ablehnung als Anknüpfungspunkt für einen zivilrechtlichen Amtshaftungs- oder Entschädigungsanspruch aus.*)
4. Eine entsprechende Klage vor den Zivilgerichten ist in diesem Fall offensichtlich aussichtslos und damit das diesbezügliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu verneinen, wenn rechtskräftig entschieden ist, dass der Bebauungsplan in seiner durch das ergänzende Verfahren erhaltenen Fassung wirksam rückwirkend in Kraft getreten ist.*)

IBRRS 2025, 2261

VG Halle, Urteil vom 07.07.2025 - 2 A 129/23
Die Pflicht der Bauaufsichtsbehörde, den Bauherrn zur Behebung von Mängeln aufzufordern, besteht nicht, wenn der Bauantrag unabhängig von etwaigen Nachbesserungen bereits aus materiell-rechtlichen Gründen unzweifelhaft entscheidungs-, nämlich ablehnungsreif ist.

IBRRS 2025, 2054

AG München, Urteil vom 13.02.2025 - 1293 C 14085/24 WEG
1. Wird das Hausgeld auf der Grundlage des Einzelwirtschaftsplans als monatliche Zahlung geschuldet, so handelt es sich um eine wiederkehrende Leistung, so dass auch zukünftiges laufendes Hausgeld eingeklagt werden kann.
2. Die Aufrechnung eines Wohnungseigentümers gegen Beitragsansprüche der Gemeinschaft oder die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts ist wegen der besonderen Schutz- und Treuepflicht grundsätzlich ausgeschlossen und nur in Ausnahmefällen, nämlich bei Ansprüchen auf Ersatz von Aufwendungen aus Notgeschäftsführung oder bei anerkannten oder rechtskräftig festgestellten Ansprüchen, zulässig.

IBRRS 2025, 2252

OLG Hamburg, Urteil vom 24.06.2025 - 7 U 16/25
Ein Schriftsatz ist auch dann wirksam im Sinne des § 130a ZPO eingereicht worden, wenn er zwar nicht qualifiziert signiert, aber von zwei Anwälten aus der mandatierten Kanzlei durch Namenswiedergabe unter dem Schriftsatz gezeichnet worden und dann von einem der beiden Signierenden über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) dem Gericht übermittelt worden ist.*)

IBRRS 2025, 2194

OLG Frankfurt, Beschluss vom 31.07.2025 - 3 W 18/25
Gegen die vorläufige Streitwertfestsetzung findet die Beschwerde nach § 63 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GKG nur im Verfahren nach § 67 GKG statt, wenn sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe des aufgrund des vorläufig festgesetzten Streitwertes erhobenen von ihm zu zahlenden Kostenvorschusses für das gerichtliche Verfahren wendet - und dies auch nur, solange die berechneten Kosten nicht eingezahlt sind.*)

Online seit gestern
IBRRS 2025, 2256
BGH, Beschluss vom 23.07.2025 - VII ZB 26/23
Eine Kostenentscheidung in einem selbständigen Beweisverfahren nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO verliert ihre Wirksamkeit, wenn eine abweichende Kostenentscheidung in einem nachfolgenden Klageverfahren ergeht.*)

IBRRS 2025, 2229

OLG Frankfurt, Urteil vom 12.11.2020 - 22 U 233/19
1. Die Zahlung des Werklohnes auf eine geprüfte Schlussrechnung rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses.*)
2. Aus der Abzeichnung von Stundenlohnzetteln kann nicht auf eine nachträgliche konkludente Vereinbarung von Stundenlohnarbeiten geschlossen werden. Sie bescheinigt nur Art und Umfang der erbrachten Leistungen.

IBRRS 2025, 2242

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.05.2023 - Verg 9/23
1. Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitestgehend frei.
2. Im Interesse einer Öffnung des Beschaffungsmarkts der öffentlichen Hand für den Wettbewerb unterliegt die Bestimmungsfreiheit jedoch vergaberechtlichen Grenzen. Diese sind eingehalten, wenn die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
3. Steht positiv fest, dass ein Verfahrensfehler auf die Aussicht des Bieters, den Auftrag zu erlangen, keinen Einfluss gehabt hat und hindern auch etwaige Mängel nicht die Zuschlagserteilung auf ein verbleibendes Angebot, bleibt der Nachprüfungsantrag erfolglos.

IBRRS 2025, 2175

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.07.2025 - 3 S 461/25
1. Es begegnet keinen bundesrechtlichen Bedenken, wenn die nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BauGB erforderliche ortsübliche Bekanntmachung eines Beschlusses eines Bebauungsplans durch die Gemeinde nur bzw. primär nach Maßgabe des Ortsrechts im Internet erfolgt. Auch Landesrecht in Baden-Württemberg steht einer Bekanntmachung (nur) im Internet nicht entgegen.*)
2. Ist ein Antrag vor der Publikation des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025 anhängig geworden, so ist bei der Bestimmung des Streitwerts auf den bisherigen Streitwertkatalog abzustellen.*)

IBRRS 2025, 1817

AG Hildesheim, Urteil vom 27.02.2024 - 126 C 15/23
1. Die Fälligkeit der Vorschussforderung kann auch in der Gemeinschaftsordnung vereinbart sein. In diesem Fall ist die jeweilige Vereinbarung maßgeblich.
2. Soweit keine Öffnungsklausel vereinbart ist, können die Wohnungseigentümer hiervon keine abweichende Regelung beschließen. § 28 Abs. 3 WEG gewährt den Wohnungseigentümern nicht die Beschlusskompetenz, von einer Vereinbarung abzuweichen.
3. Eine solche Vereinbarung gilt auch nach Inkrafttreten des WoMEG fort.
4. Fehlt eine vereinbarte Beschlusskompetenz, so ist ein Mehrheitsbeschluss, der von vereinbarten Regelungen abweicht, als vereinbarungsändernder Mehrheitsbeschluss wegen fehlender Beschlussfassungskompetenz nichtig.

IBRRS 2025, 2245

BGH, Urteil vom 20.08.2025 - IV ZR 164/23
1. Eine die ergänzende Vertragsauslegung eröffnende Regelungslücke liegt vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt.
2. Dabei kann von einer planwidrigen Regelungslücke nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrundeliegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist.
3. Grundlage einer ergänzenden Vertragsauslegung ist der hypothetische Parteiwille, so dass darauf abzustellen ist, was die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten.
4. Die Grenzen zwischen ergänzender Vertragsauslegung und Vertragsanpassung nach den Regeln des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind fließend. Ist für eine ergänzende Vertragsauslegung kein Raum, weil sie das Vertragsverhältnis derart umgestaltet, dass eine Herleitung aus dem Vertragswillen ausscheidet, bleibt gleichwohl der Anwendungsbereich für eine Vertragsanpassung wegen gestörter Geschäftsgrundlage eröffnet.

IBRRS 2025, 2247

BFH, Beschluss vom 29.07.2025 - VIII B 66/24
1. Entscheidet ein abgelehnter Richter in der Sache, bevor über ein gegen ihn gerichtetes nicht offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch entschieden worden ist, kann der Mangel als Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung geltend gemacht werden.*)
2. Dass das Ablehnungsgesuch während einer mündlichen Verhandlung und nur wenige Minuten vor Urteilsverkündung per beA eingeht und deshalb nicht zur Kenntnis des Einzelrichters gelangt, ist unerheblich.

Online seit 26. August
IBRRS 2025, 2033
OLG Nürnberg, Urteil vom 05.06.2024 - 2 U 773/23
1. Beweisbelastet für das Leistungssoll bei einem Werkvertrag ist der Auftraggeber. Er muss beweisen, welches Werk ihm versprochen wurde.
2. Der Verzug mit der Zahlung von "Vollservice"-Raten im Rahmen eines Contracting-Vertrags berechtigt den Auftragnehmer zur Kündigung aus wichtigem Grund.
3. Die bloße Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Auftraggeber steht einer Kündigung aus wichtigem Grund nicht entgegen, wenn im Zeitpunkt der Geltendmachung bereits Zahlungsverzug eingetreten ist und der Auftraggeber nicht zugleich Zahlung Zug-um-Zug anbietet.
4. Eine Klausel in vom Auftragnehmer gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der sich der Schadensersatz infolge einer Kündigung "aus der Addition der einzelnen Monatsbeträge der Vollservice-Rate abzüglich der [vom Auftragnehmer] ersparten Aufwendungen" bemisst, ist unwirksam.

IBRRS 2025, 2168

OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.07.2025 - OVG 7 A 9/25
1. Das Prioritätsprinzip vermittelt dem konkurrierenden Genehmigungsantragsteller eines Windenergievorhabens, auch wenn er noch nicht über eine Genehmigung und Bestandsanlage verfügt, bei hinreichender Verfestigung (Prüffähigkeit) seines eigenen Genehmigungsantrags eine geschützte subjektive Rechtsposition, die er dem zu Unrecht als vorrangig behandelten Vorhaben des Konkurrenten entgegenhalten kann.*)
2. Zum nachträglichen Entfallen einer Vorrangstellung aufgrund einer wesentlichen Anlagenänderung (Typwechsel) im laufenden Genehmigungsverfahren, wenn erhebliche nachteilige Auswirkungen durch erhöhte Turbulenzen möglich sind.*)

IBRRS 2025, 2051

AG Hamburg, Urteil vom 05.04.2024 - 46 C 197/21
1. Zweck der Belegeinsicht ist es, dem Mieter eine Plausibilitätsprüfung hinsichtlich der abgerechneten Kosten zu ermöglichen.
2. Diesem Zweck genügt der Vermieter nicht, wenn er sich darauf beschränkt, Konvolute weitgehend unsortierter, aus sich heraus überwiegend nicht verständlicher Unterlagen zu übergeben.
3. Die Kostenposition "Allgemeinstrom" ist nicht umlagefähig, da es eine derartige Kostenposition in der Betriebskostenverordnung nicht gibt.

IBRRS 2025, 2231

OLG Brandenburg, Urteil vom 29.07.2025 - 6 U 120/24
1. Ein Nachweis meint eine Mitteilung des Maklers an seinen Kunden, durch die dieser in die Lage versetzt wird, in konkrete Verhandlungen mit einem potenziellen Vertragspartner über den von ihm angestrebten Hauptvertrag einzutreten.
2. Da der Kunde derartige Verhandlungen nur einleiten kann, wenn er auch erfährt, an wen er sich wegen des angestrebten Vertrags wenden muss, wird der Immobilienmakler seinen am Kauf oder Verkauf interessierten Kunden im Allgemeinen auch den möglichen Vertragspartner - einschließlich vollständigem Namen und Anschrift - nennen müssen.
3. Eine Vermittlungstätigkeit ist die bewusste finale Herbeiführung der Abschlussbereitschaft des Vertragspartners des zukünftigen Hauptvertrags. Der Vermittlungsmakler verdient seine Provision durch Verhandeln mit beiden Seiten und durch Einwirken auf den potenziellen Vertragsgegner des Auftraggebers, das dessen Abschlussbereitschaft herbeiführt.
4. Da der Makler mithin aktiv am Zustandekommen des Vertrages beteiligt sein muss, genügt es für die Annahme einer den Provisionsanspruch auslösenden Vermittlungstätigkeit nicht, wenn sich seine Tätigkeit auf punktuelle Hilfestellungen beschränkt, etwa auf die Weitergabe von Informationen.

IBRRS 2025, 2238

BGH, Beschluss vom 01.07.2025 - VI ZB 59/24
1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den von der Partei vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Fristversäumnis von ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war.*)
2. Der Rechtsmittelführer ist generell mit dem Risiko belastet, dass das Rechtsmittelgericht in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist (teilweise) versagt. Ohne Verschulden im Sinne von § 233 ZPO handelt der Rechtsanwalt daher nur dann, wenn (und soweit) er auf die Fristverlängerung vertrauen durfte, das heißt, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Das setzt neben der Zulässigkeit die Vollständigkeit des Fristverlängerungsantrags voraus. Hierzu gehört - bei Fehlen der Einwilligung des Gegners - auch die Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO für die Notwendigkeit der Fristverlängerung.*)
3. Grundsätzlich können möglicherweise noch erfolgende Berichtigungen eines Urteils nach §§ 319, 320 ZPO oder Protokollberichtigungen keine erheblichen Gründe im Sinne von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO für eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist darstellen.*)

IBRRS 2025, 2150

OLG München, Urteil vom 31.07.2025 - 24 U 1899/25
1. Die - einer Umdeutung vorgehende - Auslegung einer einseitigen Erledigungserklärung als Klagerücknahme scheidet aus, wenn die Partei das Erklärte tatsächlich wollte und lediglich einem Motivirrtum unterlag.
2. Eine Umdeutung setzt eine unwirksame Parteihandlung voraus (hier verneint).
3. Eine Klagerücknahme ist, sobald (erstmals) mündlich verhandelt wurde, auch nach Einlegung eines Rechtsmittels nur noch mit Zustimmung der Beklagten möglich.

Online seit 25. August
IBRRS 2025, 2032
OLG Brandenburg, Urteil vom 20.11.2024 - 4 U 30/24
1. Nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfts geht der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass der Inhaber des Unternehmens, in dessen Tätigkeitsbereich das rechtsgeschäftliche Handeln fällt, und nicht der für das Unternehmen Handelnde der Vertragspartner werden soll.
2. Eine persönliche Geschäftsführerhaftung (hier: wegen vorsätzlicher Täuschung über die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers) kommt in Betracht, wenn dieser in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder der Vertragsschluss erheblich beeinflusst wurde.
3. Verpflichtet sich der Auftraggeber in einem Bauvertrag gegenüber dem Auftragnehmer zu Voraus- oder Abschlagszahlungen, ist dieser verpflichtet, seine Leistungen nach Abnahme oder Beendigung des Vertrages abzurechnen und einen etwaigen Überschuss an den Besteller auszuzahlen.
4. Dabei muss der Auftragnehmer eines Pauschalpreisvertrages die Leistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, zum Zweck der Abrechnung in Einzelleistungen zergliedern - zweckmäßigerweise gewerkebezogen - und diese Preise bewerten.

IBRRS 2025, 2224

BayObLG, Beschluss vom 11.06.2025 - Verg 9/24
1. Der Abzug von bis zu 200 - bei insgesamt 1000 möglichen - Wertungspunkten für einen unter Umständen auch nur geringfügigen Honorarzuschlag verstößt gegen die vergaberechtlichen Vorgaben zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots.
2. Die in einer Wertungsmatrix zum Kriterium "Präsentationstermin" vorgesehene Bewertung (auch) von Kriterien, die nicht den Inhalt, sondern die Art der Präsentation betreffen (z. B. "Auftreten des Teams", "Souveränität im Vortrag") weisen einen hinreichenden Auftragsbezug auf und sind insoweit vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
3. Die Angebotskalkulation ist unzumutbar, wenn die Vergabebedingungen es den Bietern aufgrund (hier) vergaberechtswidriger Bestimmungen zur Wertung von Honorarzu- und -abschlägen effektiv verwehren, über das gesetzliche Leitbild hinausgehenden vertraglichen Pflichten und Risiken durch Einreichung eines Angebots mit Honorarzuschlag zu begegnen (hier bejaht u.a. im Hinblick auf eine unbeschränkte Teilnahme an "sämtlichen von der Auftraggeberin gewünschten" Besprechungen, die Verpflichtung zur honorarneutralen Erbringung von detailliert beschriebenen Besonderen Leistungen und den Entfall der Vergütungspflicht bei "Leistungsminderungen").
4. Elektronische Mittel, die vom öffentlichen Auftraggeber u.a. für den Empfang von Angeboten verwendet werden, müssen gewährleisten, dass kein vorfristiger Zugriff auf die empfangenen Daten möglich ist (hier verneint für die Verwendung eines digitalen Projektraums und die Kommunikation via E-Mail).
5. Von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter sind vertiefte Rechtskenntnisse, die es erlauben, die Vergaberechtskonformität eines Bewertungssystems zu beurteilen, nicht zu erwarten.
6. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts ändert grundsätzlich nichts am Prüfungsmaßstab für die Erkennbarkeit von Vergabeverstößen.

IBRRS 2025, 2176

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2025 - 3 S 1958/23
1. Ob die Behörde eine Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO (innerhalb des Widerspruchsverfahrens) oder eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 i.V.m. § 50 LVwVfG (außerhalb des Widerspruchsverfahrens) getroffen hat, ist nach den üblichen Auslegungsgrundsätzen für behördliche Willenserklärungen zu beurteilen. Ein eindeutiger Rücknahmebescheid kann daher auch dann nicht bzw. nicht zugleich als Abhilfebescheid angesehen werden, wenn die Behörde sich sachwidrig - z.B. zur Vermeidung einer Kostenentscheidung zugunsten des Widerspruchsführers - für das Verfahren der Rücknahme entscheidet (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 18.04.1996 - 4 C 6.95 -, BVerwGE 101, 64, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.01.1981 - 5 S 1519/80 -, UA S. 7 f.; entgegen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2018 - 5 S 854/17, IBRRS 2019, 1045) *)
2. Bei einer Rücknahmeentscheidung während eines laufenden Widerspruchsverfahrens handelt es sich auch dann nicht um einen Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid i. S. des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO, wenn hiermit einem zulässigen und begründeten Widerspruch abgeholfen wird. In einem solchen Fall ist grundsätzlich ein (weiteres) Widerspruchsverfahren vor Klageerhebung durchzuführen, da § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO auch keine entsprechende Anwendung findet.*)
3. Zur Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens bei Anweisung der Ausgangsbehörde durch die Widerspruchsbehörde.*)
4. Die abstandsflächenrechtlichen Vorgaben des § 5 LBO-BW gelten nicht nur für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes, sondern auch für dieser gleichstehende bauliche Änderungen, durch die sich ein für die Abstandsflächentiefe maßgebendes Merkmal verändert. Auch eine Nutzungsänderung kann ausnahmsweise dann abstandsflächenrechtlich relevant sein, wenn Gebäude oder Gebäudeteile betroffen sind, die gerade wegen ihres besonderen Verwendungszwecks ohne Einhaltung von Abstandsflächen an der Nachbargrenze oder mit einer geringeren Abstandsflächentiefe zulässig sind und diese Privilegierung aufgrund der beantragten Nutzungsänderung verlieren.*)
5. § 5 Abs. 5 Satz 1 LBO-BW regelt lediglich die Bemessung der Abstandsflächen abstandsflächenpflichtiger Gebäude, nicht aber die Privilegierung bereits grenzständig errichteter Gebäude (Anschluss an VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.2023 - 14 S 1161/23, IBRRS 2023, 3247).*)
6. Ein atypischer Zuschnitt des Baugrundstücks kann die Zulassung geringerer Tiefen der Abstandsflächen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 LBO-BW nur dann rechtfertigen, wenn die Bebaubarkeit des betroffenen Grundstücks bei Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen in erheblicher Weise beeinträchtigt wäre.*)
7. § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO-BW ermöglicht die Schaffung von (zusätzlichem) Wohnraum unabhängig davon, zu welchem Zweck die für ein "Wohnungsbauvorhaben im Bestand" vorgesehene Baumasse zuvor genutzt wurde.*)
8. Das Fristenerfordernis des § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO-BW steht einer gleichzeitigen Nutzungsänderung und baulichen Änderung von Bestandsgebäuden nicht entgegen, wenn die Baugenehmigung oder die Kenntnisgabe für deren Errichtung mindestens fünf Jahre zurückliegt.*)
9. § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO-BW privilegiert - neben der Schaffung von (zusätzlichem) Wohnraum durch Änderungen des Daches - auch die Schaffung vom (zusätzlichem) Wohnraum durch Ausbau, Anbau, Nutzungsänderung oder Aufstockung des Gebäudes im Übrigen. Aus dem in der bis einschließlich 27.06.2025 gültigen Normfassung des § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO-BW enthaltenen Erfordernis der Schaffung "zusätzlichen" Wohnraums folgt(e) nicht, dass der neu geschaffene Wohnraum zu bestehendem Wohnraum in demselben Gebäude hinzutreten muss.*)
10. Eine Abweichung von § 5 LBO-BW ist nur dann mit öffentlichen Belangen gem. § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO-BW vereinbar, wenn die von § 5 LBO-BW vorgeschriebene Abstandsflächentiefe nur geringfügig unterschritten wird oder die mit der Unterschreitung verbundenen Nachteile für den Nachbarn aus anderen Gründen als noch hinnehmbar angesehen werden kann (Anschluss an Senatsbeschluss vom 03.03.2015 - 3 S 1913/14, BeckRS 2015, 43679)*)
11. Ein Unterschreiten der gesetzlichen Abstandsflächentiefe des § 5 LBO-BW ist mit den öffentlichen Belangen umso eher gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO-BW vereinbar, als diese gesunde Wohn- oder Arbeitsverhältnissen auf den betroffenen Nachbargrundstücken nicht beeinträchtigt. Sie scheidet daher jedenfalls dann aus, wenn sie ungesunde Wohn- oder Arbeitsverhältnisse auf dem Nachbargrundstück unmittelbar herbeiführt. Demgegenüber ist eine Hinnehmbarkeit der mit der Unterschreitung für den Nachbarn verbundenen Nachteile nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls indiziert, wenn es an einer spürbaren Beeinträchtigung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse fehlt. Eine Unterschreitung der Abstandsflächen ist daher regelmäßig mit öffentlichen Belangen vereinbar, wenn eine mehr als unwesentliche Verschlechterung der Belichtung und Belüftung des Nachbargrundstücks nicht zu besorgen ist.*)

IBRRS 2025, 2134

AG Schöneberg, Urteil vom 26.02.2025 - 11 C 5194/24
1. Ohne Spritzschutz an der Badewanne gibt es keine Duschmöglichkeit.
2. Die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr ist bereits bei der Bestimmung der Wohnlage als Indikator ausreichend berücksichtigt worden.

IBRRS 2025, 1824

AG Limburg, Urteil vom 26.03.2024 - 4 C 804/23
1. Eine nach Einheiten bezogene Verteilung der Kosten bietet sich nur dann an, wenn sich die Größe der jeweiligen Einheit nicht wesentlich auswirkt.
2. Eine Heizung wird jedoch in Abhängigkeit von der Wohnungsgröße benutzt. Eine Verteilung von Kosten einer Heizungsinstandsetzung nach Wohnungseinheiten ist unangemessen, da sie zu einer unangemessenen Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer führt.
3. Maßstabskontinuität und Gleichbehandlungsgrundsatz können durchaus eine Rolle spielen, aber bei einer willkürlichen Entscheidung kann es keine Rolle spielen, welcher Maßstab in der Vergangenheit Anwendung fand.
4. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Gesetzgeber mit dem WEMoG nichts daran ändern wollte, dass das Willkürverbot weiterhin zu beachten ist und zu prüfen ist, ob Gebrauch bzw. Möglichkeit des Gebrauchs hinreichend berücksichtigt wurden.

IBRRS 2025, 2226

OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2025 - 10 U 27/25
1. Auf einen Vertrag über den Erwerb und die Installation einer Photovoltaikanlage nebst Batteriespeicher findet Kaufrecht Anwendung, wenn der Schwerpunkt des Vertrags auf der Herstellung und Lieferung vorgefertigter Standardkomponenten liegt und die Montage in ihrer Bedeutung hinter der Lieferverpflichtung zurücktritt.
2. Mängelansprüche des Erwerbers wegen Mängel am Batteriespeicher verjähren in zwei Jahren.
3. Entsprach der gelieferte Batteriespeicher zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs der zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Beschaffenheit, kann sich der Erwerber nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Batteriespeicher zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme eine technische Fehlkonzeption aufwies, die nach dem Ablauf der Gewährleistungsfrist eine Reduzierung der Kapazität erforderlich gemacht hat.
4. Der Umstand, dass eine (Fern-)Steuerung des Batteriespeichers durch den Hersteller möglich ist, stellt keinen Fehler im Sinne des Mangelrechts dar.

IBRRS 2025, 2220

BGH, Beschluss vom 05.08.2025 - VIII ZR 122/24
Die Senate des Bundesgerichtshofs entscheiden grundsätzlich in der Besetzung von fünf Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden. Ein über die Benennung der an den Entscheidungen beteiligten Senatsmitgliedern hinausgehendes, berechtigtes Interesse einer Prozesspartei an der namentlichen Bezeichnung des Berichterstatters besteht nicht.

IBRRS 2025, 2180

OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.07.2025 - 3 W 13/25
Die Notwendigkeit (Dringlichkeit) für eine Regelungsverfügung entfällt infolge Selbstwiderlegung, das heißt durch längeres "dringlichkeitsschädliches Zuwarten" in Kenntnis der sie rechtfertigenden Umstände.*)

Online seit 22. August
IBRRS 2025, 2159
OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2024 - 5 U 103/23
1. Ein Dach, dessen Konstruktion aufgrund ihrer fehlenden Wettertüchtigkeit und der verwendeten Materialien bei gleichzeitig ermöglichtem Feuchtigkeitseintritt dem vorzeitigen Verfall gewidmet war, erfüllt seine Funktion nicht und ist deshalb mangelhaft.
2. Ein Bedenkenhinweis, der die vereinbarte Form nicht einhält, führt zwar nicht zur Enthaftung. Geht der Auftraggeber jedoch über diesen (formwidrigen) Hinweis hinweg, kann dies ein Mitverschulden begründen.
3. Übernimmt der mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Gebäudes beauftragte Generalunternehmer die vertragliche Pflicht zur Vervollständigung und Nachbesserung der übergebenen Planungsunterlagen, korrespondiert damit eine Pflicht zur Prüfung der beigestellten Pläne. Ungeachtet dessen kommt ein Mitverschulden des Auftraggebers wegen Mängeln der übergebenen Planunterlagen in Betracht.
4. Verlangt der Auftraggeber Ersatz der Mängelbeseitigungskosten, kann er die gesamten Kosten in Rechnung stellen, die er ohne Verschulden für zur Mängelbeseitigung ex-ante als notwendig ansehen durfte. Das Prognoserisiko trifft den Auftragnehmer.
5. Sowieso-Kosten betreffen Vorteile, die dadurch entstehen, dass der Auftraggeber durch die Mängelbeseitigung ein mangelfreies Werk zu einem Preis erhält, der bei vertragsgerechtem Verhalten der Parteien höher gewesen wäre.

IBRRS 2025, 2199

OVG Hamburg, Beschluss vom 14.08.2025 - 2 Bf 212/24
1. Es besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen grundsätzlich kein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet.
2. Eine vorbeugende Unterlassungsklage gegen einen zukünftigen nachteiligen Verwaltungsakt ist nur zulässig, wenn ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse besteht, mithin der Kläger aus besonderen Gründen den Verwaltungsakt nicht zumutbar abwarten kann (hier verneint).

IBRRS 2025, 2141

LG Berlin II, Urteil vom 05.11.2024 - 65 S 149/24
1. Übersteigt der Zahlungsrückstand eine Monatsmiete und besteht länger als einen Monat, rechtfertigt dies sowohl eine ordentliche als auch außerordentliche Kündigung.
2. Der Ausspruch einer fristgemäßen Kündigung setzt keine Abmahnung voraus.
3. Aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls, die festzustellen und zu würdigen Aufgabe des jeweiligen Tatrichters ist, kann es dem Vermieter verwehrt sein, sich auf eine zunächst wirksame ordentliche Kündigung mit Rücksicht auf Treu und Glauben zu berufen.
4. Dies kann anzunehmen sein, wenn der Mieter den Rückstand weniger als einen Monat nach Zugang der Kündigung vollständig ausgleicht.

IBRRS 2025, 2135

AG Aachen, Urteil vom 29.04.2024 - 118 C 37/23
1. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Wohnungseigentümer durch eine klare und eindeutige Vereinbarung die Erhaltungslast und/oder die Kostenlast auch von zwingendem Gemeinschaftseigentum auf einzelne Wohnungseigentümer überwälzen.
2. Solche Abweichungen von § 16 Abs. 2 WEG sind aber stets restriktiv auszulegen, da ein Erwerber einer Eigentumswohnung unzweifelhaft erkennen können muss, welche Kosten auf ihn zukommen.
3. Bestimmt die Teilungserklärung, dass die Pflege, der Anstrich ohne Außenanstrich und die Erneuerung der Fensterrahmen den jeweiligen Eigentümern obliegt, so müssen die Eigentümer die Fenster selbst ersetzen (in Abgrenzung zu BGH, IMR 2012, 292).
4. Die einzelnen Wohnungseigentümer sind an die Vorgaben der Gemeinschaftsordnung gebunden und deshalb verpflichtet, im Fall der Erneuerung von Fenstern zur Optik des Gesamtobjekts passende, neue Fenster einzubauen.
5. Im Jahr 2008 waren von der Teilungserklärung abweichende Kostenverteilungsregeln durch Beschluss im Bereich der Instandhaltung oder Instandsetzung nur im Einzelfall möglich. Eine generelle Regelung war nichtig.

IBRRS 2025, 2196

OLG Hamm, Urteil vom 29.07.2025 - 7 U 58/24
1. Die Übernahme der Protokollführung über die Beweisaufnahme, konkret die Protokollierung des mündlichen Gutachtens durch den Sachverständigen selbst, ist - anders als die Möglichkeit eines Wortlautprotokolls - in § 159 ZPO nicht vorgesehen, daher verfahrensfehlerhaft, und kann keine Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein, so dass entweder die Beweisaufnahme in zweiter Instanz zu wiederholen oder das erstinstanzliche Urteil auf Antrag aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen ist (in Festhaltung an OLG Hamm, IBR 2024, 387; OLG Hamm, Urteil vom 22.08.2023 - 7 U 112/22, IBRRS 2023, 3632; entgegen Rogler, r+s 2024, 567; anders obiter OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.10.2024 - 8 U 2323/23, IBRRS 2024, 3056; offenlassend OLG Schleswig, IBR 2025, 1023 - nur online).*)

IBRRS 2025, 2219

OLG Stuttgart, Urteil vom 05.08.2025 - 12 U 42/25
1. Ein Rechtsanwalt hat bei der Beratung über einen Vergleichsvorschlag die konkrete Prozesssituation zu berücksichtigen.*)
2. In dem Fall, dass ein Berufungsgericht zuvor mitgeteilt hat, dass die Berufung des Mandanten aus vorläufiger Sicht keine Aussicht auf Erfolg habe, hat sich die Beratung über einen Vergleichsvorschlag daran zu orientieren, ob es noch realistische Möglichkeiten gibt, das Berufungsgericht umzustimmen und wie die Aussichten eines Rechtsmittels gegen eine nachteilige Entscheidung sind.*)
3. Mit einer Korrektur der vorläufigen Auffassung des Berufungsgerichts kann nur gerechnet werden, wenn man auf eine bislang nicht berücksichtigte entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung verweisen oder noch neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorbringen kann.*)
4. Wenn es keine Anhaltspunkte gibt, dass das Berufungsgericht die Revision zulässt, dann ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels auf die Nichtzulassungsbeschwerde abzustellen, sodass von Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels nur dann ausgegangen werden kann, wenn neben einem Rechtsfehler auch die Annahme eines Zulassungsgrunds in Betracht kommt.*)
5. Wenn im Falle der streitigen Fortsetzung die Erfolgsaussichten des Mandanten gering sind, so wird man im Falle einer unzureichenden Beratung über den Vergleich in aller Regel nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen können, dass sich der Mandant bei pflichtgemäßer Beratung gegen den Abschluss eines Vergleichs entschieden hätte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Vergleich für den Mandanten wirtschaftlich nicht ungünstig ist.*)

IBRRS 2025, 2202

BGH, Beschluss vom 05.08.2025 - VIII ZA 6/25
Ein Ablehnungsgesuch, das lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist offensichtlich unzulässig und kann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters verworfen werden. Auch der Einholung von dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter bedarf es insoweit nicht.

IBRRS 2025, 2123

BayObLG, Beschluss vom 31.07.2025 - 102 AR 76/25
1. Ein Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung kann auch für ein selbständiges Beweisverfahren und auch noch nach dessen Anhängigkeit gestellt werden.
2. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VOB/B richtet sich der Gerichtsstand - vorbehaltlich anderslautender Vereinbarung - für Streitigkeiten aus dem Vertrag nach dem Sitz der für die Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle, sofern die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandvereinbarung nach § 38 ZPO vorliegen. Diese Gerichtsstandsvereinbarung umfasst Aktiv- und Passivprozesse des öffentlichen Auftraggebers und ist insoweit ausschließlich.
3. Zwar können Parteien für eine bereits entstandene Streitigkeit eine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen. Eine solche Vereinbarung berührt ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit bei dem zuständigen Gericht dessen Zuständigkeit nicht mehr. Diese Grundsätze gelten für das selbständige Beweisverfahre entsprechend.
4. Im selbständigen Beweisverfahren kann eine Zuständigkeit nicht kraft rügeloser Einlassung begründet werden.
5. Die Prorogation eines ausschließlichen Gerichtsstands mit einem der Streitgenossen hat grundsätzlich zur Folge, dass keiner der allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegner, sondern nur der vereinbarte ausschließliche Gerichtsstand für die gemeinsame Klage bestimmt werden kann.

Online seit 21. August
IBRRS 2025, 2052
OLG Hamburg, Urteil vom 06.03.2025 - 15 U 41/23
1. Die Ausführung einer Tiefgaragenrampe mit einer Neigung, die den Höchstwert der anwendbaren Garagenverordnung von 15 % überschreitet, ist mangelhaft.
2. Ein Bauwerksmangel ist auch darin zu sehen, dass die Fläche einer errichteten Wohnungsterrasse von den Genehmigungsplänen abweicht.
3. Zur Darlegung der Höhe eines Vorschussanspruchs muss der Auftraggeber keine sachverständige Beratung in Anspruch nehmen oder Kostenvoranschläge einholen, um die voraussichtlichen Kosten zu substantiieren. Vielmehr darf er grundsätzlich die Kosten auch laienhaft schätzen.

IBRRS 2025, 2192

Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 10.07.2025 - Rs. C-229/24
1. Eine Information muss nicht gem. Art. 17 VO (EU) Nr. 596/2014 (Marktmissbrauchsverordnung) offengelegt worden sein, um davon ausgehen zu können, dass sie „öffentlich [bekannt]“ ist.*)
2. Informationen gelten als „öffentlich [bekannt]“, wenn sie einem verständigen und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Investor unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der einschlägigen Vorschriften für ihre Offenlegung, wie etwa derjenigen zur Vergabe öffentlicher Aufträge, bekannt oder zugänglich sind. Die Umstände, unter denen das Vorliegen einer solchen Kenntnis oder Zugänglichkeit im Einzelfall anzunehmen ist, sind von den nationalen Behörden und Gerichten zu beurteilen.*)

IBRRS 2025, 2177

OVG Sachsen, Beschluss vom 24.06.2025 - 1 B 87/25
§ 35 Abs. 1 Nr. 8 b BauGB entfaltet keine nachbarschützende Wirkung. Im Baunachbarstreit gegen eine auf dieser Grundlage erteilte Baugenehmigung für ein Vorhaben zur Nutzung solarer Strahlungsenergie (Solarpark) im Außenbereich kann sich eine Rechtsverletzung des Eigentümers eines benachbarten Grundstücks nicht daraus ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 b BauGB nicht vorliegen.*)

IBRRS 2025, 2207

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.07.2025 - 5 S 655/24
1. Die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 66 BNatSchG hängt nicht davon ab, dass das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert. Es genügt, dass der Erwerb des Grundstücks durch die öffentliche Hand vorteilhafte Auswirkungen auf die in § 1 Abs. 1 BNatSchG bezeichneten und in den Folgeabsätzen konkretisierten Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege hat.*)
2. Es kommt nicht darauf an, ob die naturschutzfachlichen Ziele durch die öffentliche Hand optimal und umfassend verwirklicht werden können. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist vielmehr schon dann im Sinne des § 66 Abs. 2 BNatSchG erforderlich, wenn die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf Grundstücken im Eigentum der öffentlichen Hand besser oder zuverlässiger verwirklicht werden können als auf Grundstücken, die sich in Privateigentum befinden (wie NdsOVG, Beschluss vom 25.10.2023 - 4 LA 142/22 - NVwZ-RR 2024, 186).*)
3. Zu den zum Betrieb gehörenden Flächen im Sinne des § 201 BauGB zählen auch landwirtschaftliche Flächen, die auf unbestimmte Dauer gepachtet sind.*)

IBRRS 2025, 2187

LG Berlin II, Urteil vom 15.01.2025 - 10 O 167/24
1. Die Rechtsverwirkung betrifft nicht nur Rechte, deren Tatbestand einen auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff beinhaltet. Stattdessen sind sämtliche subjektiven Rechte Gegenstand der Verwirkung, auch die rechtshindernde Einwendung der verspäteten Annahme.
2. Die Einwendung, dass ein Vertrag wegen verfristeter Annahme nicht zu Stande gekommen sei, ist verwirkt, wenn zwischen (verspäteter) Annahme und der erstmaligen Geltendmachung der Einwendung über ein Jahr vergangen ist und die Parteien den Vertrag in wesentlichen Teilen durchführten.
3. Dem Schweigen des Erstofferenten auf eine verspätete Annahme kann eine konkludente Annahme (verspätete Annahme = neues Angebot) beigemessen werden, wenn der verspätetet Annehmende aufgrund der Gesamtumstände des geschäftlichen Kontakts davon ausgehen kann, dass der Erstofferent die Einhaltung der Frist nicht streng nimmt und die verspätete Annahmeerklärung akzeptieren wird.
4. Grund hierfür ist, dass der verspätetet Annehmende nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte (§ 242 BGB) eine ausdrückliche Ablehnung des Erstofferenten erwarten darf, sofern dieser kein Interesse mehr an dem Vertrag hat.
5. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Annahmefrist nur geringfügig überschritten wird.
6. Dem Schweigen des Erstofferenten kann nur dann nicht die Bedeutung einer Annahme beigemessen werden, wenn Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Änderung seiner sachlichen Entscheidung nahelegen.

IBRRS 2025, 2189

LG Aurich, Urteil vom 28.11.2024 - 1 S 15/24
Rückbauvorgaben müssen klar sein und können sich nicht nur auf einen vagen "ursprünglichen" Zustand beziehen.

IBRRS 2025, 2201

BGH, Urteil vom 31.07.2025 - IX ZR 160/24
Zahlungsunfähig ist ein Schuldner, der aus Mangel an liquiden Mitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Hierbei sind nur diejenigen liquiden Mittel einzubeziehen, über die der Schuldner tatsächlich verfügt oder die er sich kurzfristig, also innerhalb von drei Wochen, beschaffen kann. Forderungen gegen Dritte können nur insoweit eingesetzt werden, als sie tatsächlich bestehen und der Schuldner die Forderungen spätestens binnen drei Wochen realisieren kann (Fortführung von BGH, IBR 2006, 1016 = BGHZ 163, 134, 139; Beschluss vom 19. Juli 2007 - IX ZB 36/07, Rz. 30, IBRRS 2007, 3999 = IMRRS 2007, 1834 = BGHZ 173, 286; Urteil vom 18. April 2013 - IX ZR 90/10, Rz. 7, IBRRS 2013, 2145 = IMRRS 2013, 1215 = NZI 2013, 592).*)

IBRRS 2025, 2193

OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.08.2025 - 30 W 105/25
1. Die beharrliche Weigerung des Sachverständigen, den Gutachterauftrag zur Kenntnis zu nehmen und daraus folgende Mängel des Gutachtens zu beseitigen, rechtfertigt aus Sicht der Partei die Besorgnis der Befangenheit.*)
2. Der Sachverständige, der den eindeutigen Gutachtenauftrag verlassen und den daraus resultierenden Mangel des Gutachtens auch nicht nachträglich behoben hat, als er darauf hingewiesen worden ist, handelt grob fahrlässig i.S.v. § 8a Abs. 3 Nr. 3 JVEG.*)
3. Wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist, darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO ("kann") das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden.*)

IBRRS 2025, 2178

OLG Celle, Urteil vom 10.07.2025 - 11 U 179/24
Ein Wohngebäude, in dem seit mehr als einem Jahr niemand mehr wohnt und der letzte Bewohner nach seinem - absehbar endgültigen - Umzug in ein Altenpflegeheim lediglich noch die Möbel nebst sonstigem Inventar zurückgelassen hat, die in dem Heim keinen Platz fanden, ist im Sinne der Gebäudeversicherungsbedingungen ungenutzt. Es besteht dann die Obliegenheit, die Wasserversorgung abzusperren.*)

IBRRS 2025, 2170

BGH, Beschluss vom 31.07.2025 - III ZB 82/24
1. Die Berufungsbegründung hat - zugeschnitten auf den konkreten Streitfall und aus sich heraus verständlich - diejenigen Punkte darzulegen, die der Berufungskläger als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet.
2. Besondere formale Anforderungen bestehen nicht; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind.
3. Es reicht indessen nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen.
4. Vor allem muss das Rechtsmittel die tragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils angreifen und darlegen, warum diese aus Sicht des Berufungsklägers nicht zutreffen. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige selbständig tragende Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede dieser Erwägungen angreifen.
5. Betrifft die erstinstanzliche Entscheidung mehrere prozessuale Ansprüche, ist für jeden Anspruch eine Berufungsbegründung erforderlich. Decken sich die Voraussetzungen für die verschiedenen Ansprüche, reicht es jedoch aus, wenn die Berufungsbegründung einen einheitlichen Rechtsgrund im Ganzen angreift.

IBRRS 2025, 2186

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.07.2025 - 8 S 1006/23
Zur Antragsbefugnis eines Eigentümers einer im Plangebiet gelegenen Wohnung (hier: verneint).*)

Online seit 20. August
IBRRS 2025, 2197
BGH, Urteil vom 23.05.2025 - V ZR 36/24
Eine Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung, wonach einzelne Wohnungseigentümer die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung von bestimmten Teilen des Gemeinschaftseigentums im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums (hier: Fenster) zu tragen haben, umfasst im Zweifel die Kosten für die Beseitigung anfänglicher Mängel.*)

IBRRS 2025, 2040

OLG Brandenburg, Urteil vom 25.09.2024 - 4 U 67/23
1. Die schlüssige Darlegung eines Werklohnanspruchs erfordert jedenfalls, dass der Unternehmer die geschuldeten Leistungen konkret darlegt.
2. Näherer Vortrag zu den auszuführenden Arbeiten ist entbehrlich, wenn die Parteien Stundenlohnarbeiten vereinbart haben. Hierfür muss der Unternehmer indes zunächst die Stundenanzahl sowie den vereinbarten Stundensatz darlegen und erforderlichenfalls beweisen.
3. Wenn und soweit die Parteien keine Preisabsprache getroffen haben, muss der Unternehmer zumindest vortragen und erforderlichenfalls beweisen, dass die abgerechnete Vergütung ortsüblich und angemessen ist.
4. Allein der Umstand, dass der Besteller Mängelansprüche gegen den Unternehmer geltend macht, kann nicht als Erklärung ausgelegt werden, etwaig bestehende Verträge - im Sinne eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses - zu bestätigen.

IBRRS 2025, 2155

VK Südbayern, Beschluss vom 06.05.2025 - 3194.Z3-3_01-25-15
1. Angesichts der Regelung in Art. 1 Abs. 4 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG, wonach die Mitgliedstaaten lediglich verlangen können, dass die Person, die ein Nachprüfungsverfahren anzustrengen beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber über den behaupteten Verstoß und die beabsichtigte Nachprüfung unterrichtet, ist es sehr fraglich, ob eine Rüge, die eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung enthält, überhaupt wegen fehlender Substantiierung unbeachtlich sein kann.*)
2. Bringt ein Beteiligter unter Missachtung seiner Verfahrensförderungspflicht neuen, nicht nachgelassenen Vortrag erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor und ist den weiteren Beteiligten eine Erwiderung hierauf ohne erhebliche Verzögerung des Nachprüfungsverfahrens nicht möglich, so muss ein solches Vorbingen bei der Entscheidung der Vergabekammer regelmäßig unberücksichtigt.*)
3. Lose - auch gleichartige Teil-(Mengen-) Lose - sind grundsätzlich gesondert zu werten. Auch die transparente Ankündigung einer losübergreifenden Wertung in den Vergabeunterlagen erlaubt es dem öffentlichen Auftraggeber nicht, einem Unternehmen in einem Los den Zuschlag zu erteilen, auf das es kein Angebot abgegeben hat.*)
