Bau-, Architekten- und Immobilienrecht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit 12. August
IBRRS 2025, 2057
AG Neuss, Urteil vom 12.02.2025 - 82 C 2493/23
1. Bei Schäden eines Wohnungseigentümers wegen einer Pflichtverletzung des Verwalters kann der Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft Schadensersatz verlangen.
2. Eine Haftung des Verwalters kommt in Betracht für Fehler bei der Vorbereitung einer Beschlussfassung, z.B. in Form der Vorformulierung unzureichender Beschlussvorlagen.
3. Weist ein Eigentümer den Verwalter bereits vor der Eigentümerversammlung mehrfach darauf hin, dass bei ihm ein falscher, weil zu hoher Miteigentumsanteil zu Grunde gelegt wird, und ignoriert der Verwalter dies, macht er sich haftbar.
4. Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf die zur Geltendmachung einer Pflichtverletzung entstandenen Kosten und damit regelmäßig auch auf Rechtsanwaltskosten. Die Ersatzpflicht setzt allerdings voraus, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts aus der ex-ante Sicht erforderlich und zweckmäßig war.
5. Hat der Eigentümer auf den Fehler bereits mehrfach hingewiesen und ignoriert der Verwalter dies stets, kann der Eigentümer nicht darauf hoffen, dass sich das Verhalten des Verwalters durch Einschalten eines Rechtsanwalts ändern würde. Aus der ex-ante Sicht liegt es für den Eigentümer daher nahe, sich auf eine Anfechtung der nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Beschlüsse zu beschränken.

IBRRS 2025, 2060

OLG Nürnberg, Urteil vom 03.06.2025 - 6 U 519/24
1. Um im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs eine Bösgläubigkeit des Erwerbers anzunehmen, müssen diesem Umstände bekannt gewesen sein, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprechen, dass der Verkäufer nicht Eigentümer war. Für den Erwerber muss also auch bei nur durchschnittlichem Merk- und Erkenntnisvermögen ohne besonders hohe Aufmerksamkeit und besonders gründliche Überlegung zu erkennen gewesen sein, dass die Verkaufssache dem Verkäufer nicht gehörte (BGH, Urteil vom 05.07.1978 - VIII ZR 180/77, IBRRS 1978, 0125). Dabei ist anerkannt, dass eine allgemeine Nachforschungspflicht bei Dritten als Voraussetzung für einen gutgläubigen Eigentumserwerb nicht besteht (BGH, Urteil vom 05.02.1975 - VIII ZR 151/73, IBRRS 1975, 0302). Eine solche Erkundigungspflicht obliegt dem Erwerber aber dann, wenn die Umstände den Verdacht nahelegen, dass der Verkäufer veräußert, obwohl er (noch) kein Eigentum an der Sache erworben hat (vgl. BGH, Urteil vom 04.10.1972 - VIII ZR 66/71, IBRRS 1972, 0104). In einem solchen Fall genügt der Erwerber seiner Nachforschungsobliegenheit nicht bereits dadurch, dass er sich von dem Veräußerer bestätigen lässt, dass dieser Eigentümer der Sache oder zumindest verfügungsbefugt ist (vgl. BGH, Urteile vom 04.10.1972 und 05.07.1978, jeweils a.a.O.). Denn es besteht ersichtlich keine hinreichende Gewähr dafür, dass ein Verkäufer, der in Kenntnis der Umstände eine ihm nicht gehörende Sache zum Verkauf anbietet, auf ausdrückliche Nachfrage wahrheitsgemäß erklären wird, nicht Eigentümer oder Verfügungsbefugter und deshalb zu einer Eigentumsübertragung nicht in der Lage zu sein.*)
2. Ob die Umstände der Veräußerung den Verdacht nahe legen, dass der Veräußerer weder Eigentümer noch verfügungsbefugt ist, bedarf einer Gesamtwürdigung. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, wie es zu der Veräußerung gekommen ist, wie die dabei beteiligten Personen sich verhalten haben, der Zustand des Kaufgegenstands, der ausgehandelte Preis, der Zeitpunkt des Verkaufs - zum Beispiel in der Hochsaison - und die Motivierung des Verkaufs (BGH, Urteil vom 04.10.1972, a.a.O.); auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten oder die verkehrsübliche Möglichkeit des Bestehens von Dritteigentum sind zu berücksichtigen. Dabei ist anerkannt, dass beim Erwerb hochwertiger Investitions- oder Konsumgüter vom Händler oder Endabnehmer mit dem üblicherweise vereinbarten Eigentumsvorbehalt des Vorlieferanten bzw. mit einer Sicherungsübereignung zu rechnen ist, wenn der Erwerb innerhalb der üblichen Finanzierungsdauer erfolgt (Grüneberg/Bassenge, BGB, 82. Aufl., § 932 Rn. 12; MüKoBGB/Oechsler, 9. Aufl., § 932 Rn. 58; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.11.1998 - 11 U 36/98, IBRRS 1998, 0826; OLG Koblenz, Urteil vom 09.04.2010 - 8 U 1007/09, IBRRS 2017, 0293.*)
3. Beim Sorgfaltsmaßstab ist dann aber auch die besondere berufliche Stellung des Erwerbers zu berücksichtigen. Etwaiges Sonder- oder Spezialwissen des Erwerbers muss bei der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs mit beachtet werden (MüKoBGB/Oechsler, 9. Aufl., § 932 Rn. 54 "Sonderhorizont des Erwerbers").*)
4. Ein Baumaschinenhändler muss beim Erwerb eines Baufahrzeugs wissen, dass dieses branchenüblich fremdfinanziert wird (OLG Koblenz, Urteil vom 15.12.2016 - 6 U 113/16, IBRRS 2017, 0293). Gerade bei "jüngeren" Baumaschinen muss ein Baumaschinenhändler damit rechnen, dass solche Geräte fremdfinanziert und damit nicht im Eigentum des Veräußerers stehen. Gerade der Umstand, dass solche Maschinen typischerweise unter Eigentumsvorbehalt geliefert bzw. gekauft werden, kann je nach Einzelfall eine Nachfrageobliegenheit begründen, wobei dieser Umstand aber nicht allein maßgeblich sein kann, sondern eine Gesamtwürdigung vorzunehmen ist (BGH, Urteil vom 04.10.1972 - VIII ZR 66/71, IBRRS 1972, 0104).*)

IBRRS 2025, 2070

BGH, Beschluss vom 08.07.2025 - VIII ZB 12/25
1. Ein Prozessbevollmächtigter, der eine Rechtsmittel- oder eine Rechtsmittelbegründungsschrift gem. § 130a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg - hier dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) - bei Gericht einreicht, ist verpflichtet, das einzureichende Dokument vor der Versendung auf dessen Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen.*)
2. Hierzu gehört, wenn zum Zwecke des Versands die Ausgangsdatei - hier eine Word-Datei - in ein anderes Format - hier eine PDF-Datei - umgewandelt wird, auch die Überprüfung, ob der Inhalt der zu versendenden Datei demjenigen der Ausgangsdatei entspricht (Anschluss an BGH, Beschluss vom 17.12.2024 - II ZB 5/24, IBR 2025, 154 = NJW 2025, 753 Rz. 9).*)

IBRRS 2025, 2095

BGH, Beschluss vom 28.07.2025 - II ZR 154/23
1. Ein Verkündungstermin kann nur aus erheblichen Gründen verlegt werden, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern.
2. Ein während des Revisionsverfahrens gefasster Bestätigungsbeschluss kann im Einzelfall berücksichtigt werden, wenn er unstreitig ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen.
3. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung können Angriffs- und Verteidigungsmittel gem. § 296a Satz 1 ZPO nicht mehr vorgebracht werden, was auch für das Revisionsverfahren gilt.

IBRRS 2025, 2086

BGH, Beschluss vom 22.07.2025 - X ZB 21/22
1. Ein Befangenheitsantrag ist nach vollständigem Abschluss einer Instanz grundsätzlich unzulässig, da die beteiligten Richter ihre Tätigkeit im konkreten Verfahren beendet haben.
2. Eine Anhörungsrüge, die von vornherein unzulässig ist, führt nicht dazu, dass das durch eine abschließende Entscheidung untergegangene Ablehnungsrecht wiederauflebt.
3. Ein Befangenheitsantrag ist unzulässig, wenn er trotz Anwaltszwangs vom Kläger selbst erhoben wird.

IBRRS 2025, 2036

AG Berlin-Mitte, Beschluss vom 10.02.2025 - 22 C 46/24 WEG
Der Streitwert in Verfahren nach § 44 Abs. 1 WEG ist auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen; er darf den 7,5-fachen Wert des Interesses des Klägers sowie den Verkehrswert seines Wohnungseigentums nicht übersteigen.

Online seit 11. August
IBRRS 2025, 1997
OLG Rostock, Urteil vom 08.09.2023 - 5 U 266/20
1. Ein Heizungs- und Sanitärunternehmer hat dafür Sorge zu tragen hat, dass Flüssiggasanlagen für Brennzwecke, soweit sie aus Druckgasbehältern versorgt werden, nur in Räumen aufgestellt werden, die so be- und entlüftet sind, dass in der Raumluft keine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre, kein gesundheitsgefährdendes Abgas/Luftgemisch und kein Sauerstoffmangel auftreten können.
2. Wird ein Heizungs- und Sanitärunternehmer mit der Reparatur einer Heizungsanlage beauftragt, die in einem nicht ordnungsgemäß be- und entlüfteten Keller installiert wurde und die deshalb nicht betrieben werden darf, muss er den Besteller auf diesen Umstand hinweisen.
3. Unterlässt es der Heizungs- und Sanitärunternehmer, den Besteller auf die erheblichen Mängel der Heizungsanlage hinzuweisen und kommt es durch die Ausführung der Reparaturarbeiten zu einer Verpuffung, haftet der Unternehmer dem Besteller auf Ersatz der durch die Verpuffung entstandenen Schäden.
4. Der Besteller muss sich das Verschulden des mit der Errichtung der Heizungsanlage beauftragten Fachunternehmens nicht als Mitverschulden anrechnen lassen.

IBRRS 2025, 2029

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.07.2025 - 7 A 1822/23
1. Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.
2. Aufgrund einer Dachterrasse zukommende Aufenthaltsfunktion ist im Einzelfall das Vorhandensein eines zweiten Rettungswegs erforderlich, damit bei einem Brandereignis eine effektive Rettung von Menschen möglich ist. Eine Ausnahme von diesem Erfordernis kann in Betracht gezogen werden, wenn die Dachterrasse als begehbare Dachfläche für eine Brandbeanspruchung von unten feuerhemmend ausgebildet ist und außerdem ein Verbindungstreppe zwischen der Wohnung und der Dachfläche als notwendige Treppe ohne eigenes Treppenhaus ausgebildet ist (hier verneint).
3. Mit der Entstehung eines Brandes muss jederzeit gerechnet werden.
4. In einer Brandsituation muss eine effektive Rettung von Personen gewährleistet sein. Das betrifft nicht nur gesunde und besonnene Personen. Es muss auch gewährleistet sein, dass Mitarbeiter der Feuerwehr in Schutzanzügen mit Atemschutzgerät und gegebenenfalls mit Rettungs- und Löschausrüstung den Rettungsweg passieren können, um in ihrer Mobilität eingeschränkte oder in einer Brandsituation orientierungslose Personen zügig aufzufinden und zügig aus dem Gefahrenbereich herauszubringen. Das ist bei einer 60 cm breiten Treppe nicht gewährleistet.

IBRRS 2025, 1870

AG Bottrop, Urteil vom 24.04.2025 - 8 C 39/23
1. Werden Mietmängel allein deshalb nicht beseitigt, weil der Mieter (Tochter!) einen Termin zur Beseitigung persönlich oder per Telefon ausmachen wollte, der Vermieter (Eltern!) dies jedoch ignorierte und auf schriftliche Absprachen bestand, liegt kein (alleiniges) Verschulden des Mieters vor, so dass hierauf keine fristlose Kündigung gestützt werden kann.
2. Wird die Kündigung auf einen Mietzahlungsverzug gestützt, muss der Mieter anhand der Begründung der Kündigungserklärung erkennen können, von welchem Mietrückstand der Vermieter ausgeht und dass die Kündigung auf diesem Rückstand basiert.
3. Ein Mieter ist dann nicht mehr zur Minderung der Miete berechtigt, wenn die Mängel durch ihn zu vertreten sind, er die Beseitigung schuldhaft verhindert oder mutwillig erschwert. Gleiches gilt, wenn der Mieter es unterlassen hat, nach Erhalt eines Kostenvorschusses die Mängelbeseitigung zügig auszuführen.
4. Zu der Frage, wie lange der Mieter mit der Mangelbeseitigung nach Kostenvorschusserhalt zuwarten darf.

IBRRS 2025, 1986

AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 25.07.2025 - 980b C 3/25 WEG
1. Es ist anerkannt, dass eine von § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG abweichende Kostenverteilung in den Einzelabrechnungen auf Grundlage von § 28 Abs. 2 WEG gerechtfertigt ist (sofern ein Ersatzanspruch gegen einen Wohnungseigentümer in Rede steht), wenn der Anspruch tituliert ist oder "sonst feststeht", etwa weil er von dem betreffenden Wohnungseigentümer anerkannt worden ist.
2. Beschließen die Eigentümer einen Vornahmebeschluss, ist damit inzident auch der entsprechende Grundlagenbeschluss beschlossen.
3. Im Rahmen der Delegation nach § 27 Abs. 2 WEG kann die Verwaltung auch generell ermächtigt werden, im Rahmen einer anwaltlichen Beauftragung mit einem noch nicht namentlich benannten Rechtsanwalt eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen.
4. Die Eigentümer sind beim Abschluss einer solchen Vereinbarung im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung und ihrer ermessensgeleiteten Mehrheitsmacht weitgehend frei, darüber zu entscheiden, ob sie eine Vergütungsvereinbarung zur Grundlage einer anwaltlichen Beauftragung machen wollen oder - mit dem Ergebnis, dass sich die Honorarhöhe dann nach dem RVG bzw. den gesetzlichen Gebühren richtet - nicht.
5. Eine Ermächtigung der Verwaltung, einen Stundenlohn zwischen 150 und 300 Euro zu vereinbaren, widerspricht - zumindest in Hamburg - nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.
IBRRS 2025, 1689

OLG Celle, Urteil vom 16.06.2025 - 7 U 10/25
1. Bei dem auf § 242 BGB gestützten Einwand der Verwirkung handelt es sich um eine Einwendung, die grundsätzlich geeignet ist, die Begründetheit einer Vollstreckungsgegenklage eintreten zu lassen, da es sich um einen Umstand handelt, der erst nach Erlangung des Titels entstehen kann und somit nicht der Präklusion unterliegt.
2. Wird ein Räumungsvergleich geschlossen, weil der Vermieter/Verpächter die Änderung der bisherigen Nutzung des Grundstücks beabsichtigt, und ist dies dem Mieter/Pächter bekannt, kommt eine Verwirkung auch dann nicht in Betracht, wenn zwischenzeitlich sieben Jahre vergangen sind und der Mieter/Pächter in dieser Zeit weitere Objekte auf dem Grundstück nutzen und gar eine Solaranlage errichten durfte.
3. Von einem Verlust des titulierten Räumungsanspruchs und damit einer Unzulässigkeit der Vollstreckung kann nur ausgegangen werden, wenn zwischen den Parteien ein neues Miet- bzw. Pachtverhältnis - gegebenenfalls auch konkludent - zu Stande gekommen ist.

IBRRS 2025, 1926

BGH, Beschluss vom 17.06.2025 - X ZB 1/25
1. Mit der Anhörungsrüge können nur neue und eigenständige Verletzungen des rechtlichen Gehörs durch das Rechtsmittelgericht gerügt werden.
2. Eine abweichende Würdigung der Ausführungen des Klägers durch das Gericht stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.

IBRRS 2025, 1863

OVG Nordrhein-Westfahlen, Beschluss vom 07.02.2025 - 22 B 92/25
1. Wird mit der begehrten Regelung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache vorweggenommen, liegt ein Anordnungsgrund nur dann vor, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.*)
2. Eine endgültige, unumkehrbare Rechtsvereitelung im eigentlichen Sinne scheidet mit Blick auf das möglicherweise baldige Inkrafttreten eines neuen § 9 Abs. 1a Satz 2 BImSchG (BT-Drs. 20/14777, BR-Drs. 46/25) jedenfalls dann aus, wenn die daneben verbleibenden Anträge auf Vollgenehmigung nach § 6 BImSchG und auf Erteilung eines Vorbescheids nach § 9 Abs. 1 BImSchG auch unter Berücksichtigung absehbarer Änderungen der Rechtslage weiterhin realistische Erfolgsaussichten haben.*)

Online seit 8. August
IBRRS 2025, 1995
OLG Brandenburg, Urteil vom 20.02.2025 - 10 U 37/24
1. Der Nachzahlungsanspruch des Bauunternehmers gegen den Bauträger wegen eines gemeinschaftlichen Irrtums über die Verpflichtung zur Zahlung von Umsatzsteuer ist der Höhe nach durch den Erstattungsantrag des Bauträgers an das Finanzamt begrenzt.
2. Die Verjährung des Anspruchs auf Werklohn in Höhe der Umsatzsteuer beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Erstattungsantrag gestellt ist und der Bauunternehmer davon Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.
3. Eine nicht hinreichend individualisierte Klage hemmt die Verjährung nicht. Die nachträgliche Individualisierung entfaltet keine Rückwirkung.

IBRRS 2025, 2026

Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 10.07.2025 - Rs. C-769/23
Art. 67 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, wonach es öffentlichen Auftraggebern untersagt ist, bei einem öffentlichen Auftrag über Dienstleistungen, die sowohl standardisiert als auch arbeitsintensiv sind, als einziges Zuschlagskriterium den niedrigsten Preis vorzusehen.

IBRRS 2025, 1911

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.05.2025 - 10 B 384/25
1. Die Erschließungssituation eines Grundstücks lässt den Schluss auf die Rücksichtslosigkeit eines Vorhabens nur dann (ausnahmsweise) zu, wenn diese sich durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließende Straße, insbesondere durch Staus oder unkontrollierten Park(such)verkehr, erheblich verschlechtert und die entstehende Gesamtbelastung infolge dessen bei Abwägung aller Belange unzumutbar ist.
2. Es besteht hingegen kein rechtlich schützenswerter Anspruch darauf, dass das eigene Grundstück über die es erschließende öffentliche Straße zu jeder Zeit ohne Verzögerung und ohne vorübergehende Behinderung durch andere Verkehrsteilnehmer zu erreichen ist.

IBRRS 2025, 2016

LG Köln, Urteil vom 25.04.2024 - 29 S 121/21
1. Ein Anspruch auf erstmalige Herstellung eines den Plänen entsprechenden Zustands kann nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn seine Erfüllung den übrigen Wohnungseigentümern nach den Umständen des Einzelfalls nicht zuzumuten ist.
2. So kann es etwa liegen, wenn die plangerechte Herstellung tiefgreifende Eingriffe in das Bauwerk erfordert oder Kosten verursacht, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der von der abweichenden Bauausführung unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer unverhältnismäßig sind.

IBRRS 2025, 2027

OLG Hamm, Beschluss vom 03.07.2025 - 4 WF 130/24
1. Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen.*)
2. Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich daraus ergeben, dass der Richter ungeachtet seiner Ablehnung und des daraus folgenden Tätigkeitsverbots gem. § 47 Abs. 1 ZPO gleichwohl (…) zu Lasten einer Partei eine weitreichende Entscheidung trifft.*)

Online seit 7. August
IBRRS 2025, 2062
BGH, Urteil vom 18.07.2025 - V ZR 29/24
1. Wird ein Wohnungseigentümer gem. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Beseitigung einer baulichen Veränderung in Anspruch genommen, findet das Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung Anwendung, wenn die bauliche Veränderung zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war.*)
2. Beurteilt sich die bauliche Veränderung nach dem bis zum 30.11.2020 geltenden Recht, kann der Störer dem Beseitigungsverlangen nach § 242 BGB einen nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 WEG a.F. gegebenen Gestattungsanspruch entgegenhalten.*)
3. Eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums setzt nicht zwingend einen Substanzeingriff voraus, sondern kann auch bei einer sonstigen auf Dauer angelegten Maßnahme, die das optische Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage wesentlich verändert, gegeben sein (hier: Solaranlage).*)
IBRRS 2025, 2024

OLG Braunschweig, Urteil vom 31.07.2025 - 8 U 193/22
1. Erhält der Bauträger vom Erwerber den vollen Kaufpreis und ist er keinen mangelbedingten Ansprüchen des Erwerbers mehr ausgesetzt, ist der Bauträger gehindert, gegenüber "seinem" Architekten wegen dieser Mängel Ansprüche geltend machen (vgl. BGH, IBR 2007, 472). Ein Beispiel ist die Verjährung der mangelbedingten Ansprüche gegen den Bauträger.
2. Die Verjährung der Gewährleistungsansprüche des Bestellers gegen den Bauträger beginnt mit der Abnahme bzw. mit der endgültigen Verweigerung der Abnahme zu laufen.
3. Hat der Erwerber die Leistung nicht abgenommen und liegt auch keine endgültige Abnahmeverweigerung vor, wird der Erfüllungsanspruch des Erwerbers - wenn keine Fertigstellungsfrist vereinbart wurde - nach Ablauf einer angemessenen Herstellungsfrist fällig und verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren.
4. Da es sich bei einem Nacherfüllungsanspruch um einen modifizierten Erfüllungsanspruch handelt, ist das Bestehen eines durchsetzbaren Erfüllungsanspruchs bis zur Abnahme Voraussetzung des Bestehens eines Nacherfüllungsanspruchs.
5. Beruft sich der Bauträger vor der Abnahme auf den Eintritt der Verjährung des Erfüllungsanspruchs, entsteht der Nacherfüllungsanspruch nicht.

IBRRS 2025, 2025

VK Bund, Beschluss vom 14.04.2025 - VK 2-19/25
1. Für eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der GmbH ist die Eintragung in das zuständige Handelsregister konstitutiv. In Ermangelung der erforderlichen Eintragung existiert eine GmbH rechtlich nicht.
2. Eine nicht in das Handelsregister eingetragene Kapitalgesellschaft kann keinen Teilnahmeantrag stellen und ist somit im Vergabenachprüfungsantrag nicht antragsbefugt.

IBRRS 2025, 1862

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 31.03.2025 - 12 ME 49/24
1. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Beginns der Errichtung i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BImSchG.*)
2. Die Vorgaben für das Erlöschen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sind auch hinsichtlich des Erlöschens der von ihr ersetzten oder in ihr eingeschlossenen Genehmigungen maßgebend.*)
3. Besteht ein fachrechtliches Vorhaben aus mehreren zulassungspflichtigen Maßnahmen und schließt eine Zulassung (z. B. Planfeststellungsbeschluss, immissionsschutzrechtliche Genehmigung) aufgrund ihrer Konzentrationswirkung die anderen Zulassungen mit ein, so ist für das Vorhaben bereits dann eine umfassende UVP durchzuführen, wenn nur eine oder mehrere der Maßnahmen aufgrund einer Ordnungsnummer der Anlage 1 zum UVPG eine UVP-Pflicht auslösen.*)
4. Ein immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiges Vorhaben kann nicht durch einen baurechtlichen Vor- und/oder Teilgenehmigungsakt und eine immissionsschutzrechtliche Schlussgenehmigung legitimiert werden.*)

IBRRS 2025, 2017

AG Schwerin, Urteil vom 18.07.2025 - 14 C 19/25
1. Die formularmäßig vereinbarte Schönheitsreparaturenklausel mit dem Wortlaut "Streichen der Innentüren, der Fenster und Außentüren von innen" regelt nicht hinreichend deutlich, dass das Streichen der Fenster nur von innen geschuldet wird, und führt daher zur Unwirksamkeit der Klausel.
2. Der Vermieter ist verpflichtet, die Kaution bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Der Vermieter muss aber nicht das Kreditinstitut wählen, das den höchsten Zinssatz gewährt.

IBRRS 2025, 1988

AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 25.07.2025 - 980a C 27/23 WEG
1. Im Rahmen einer Zweier-Gemeinschaft muss sich die Gemeinschaft das Wissen bzw. die Kenntnisse der einzelnen Wohnungseigentümer ohne Weiteres als eigene zurechnen lassen.
2. Der Anspruch auf Beseitigung einer Terrasse verjährt in drei Jahren.
3. Zwar kann der Gemeinschaft in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum grundsätzlich ein Anspruch auf Duldung der Beseitigung einer (rechtswidrigen) Eigentumsbeeinträchtigung in Form einer baulichen Veränderung zustehen, wenn der gegen den "störenden Eigentümer" (Bauherrn) gerichtete Beseitigungsanspruch verjährt ist.
4. Allerdings unterliegt die Geltendmachung dieses Anspruchs auch den Grundsätzen der Verwirkung.
5. Je länger der Inhaber des Rechts untätig bleibt, desto mehr wird der Gegner in seinem Vertrauen schutzwürdig, das Recht werde nicht mehr ausgeübt werden.

IBRRS 2025, 2023

BFH, Beschluss vom 03.07.2025 - VII B 46/24
Bei dem Zeugenbeweis verlangt § 373 der Zivilprozessordnung vom Beweisantragsteller nicht, den gesamten Inhalt der künftigen Zeugenaussage durch detaillierte Angaben in seinem Beweisantrag vorwegzunehmen.*)

IBRRS 2025, 1795

LG Stuttgart, Beschluss vom 19.05.2025 - 10 T 110/25
1. Das Verbot der Selbstentscheidung gilt nach ganz herrschender Meinung ausnahmsweise nicht, wenn das Ablehnungsgesuch unzulässig oder missbräuchlich ist.
2. Anerkannt ist insofern die Fallgruppe der Verfolgung verfahrensfremder Zwecke, etwa als regelmäßige Reaktion auf missliebige Entscheidungen.

Online seit 6. August
IBRRS 2025, 2020
OLG München, Urteil vom 29.07.2025 - 28 U 1412/24 Bau
1. Verstößt eine in einem Verbraucherbauvertrag gegen das Transparenzgebot und ist sie deshalb unwirksam, muss eine rechtsgrundlos erlangte Bürgschaft herausgegeben werden.
2. Die Verwendung folgender Sicherungsabrede ist in einem Verbraucherbauvertrag unwirksam: „Der Auftraggeber ist verpflichtet, dem Auftragnehmer spätestens zwei Wochen nach dem Planungsgespräch einen Nachweis … in Höhe des Vertragspreises durch Vorlage einer unwiderruflichen und unbefristeten Bestätigung eines Geldinstituts zu erbringen. (…) Der Auftraggeber ist verpflichtet, binnen 14 Tagen nach dem Planungsgespräch dem Auftragnehmer eine unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft eines Bürgen in Höhe der letzten Rate des Vertrages (10% des Pauschalpreises) für die Erfüllung der dem Auftraggeber mit der Abnahme und Übergabe der prüfbaren Schlussrechnung obliegenden Zahlungsverpflichtung zu stellen. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass der Auftragnehmer vor Stellung der Bürgschaft nicht verpflichtet ist, die Arbeiten aufzunehmen."

IBRRS 2025, 2022

LG Gießen, Beschluss vom 21.03.2025 - 3 O 95/25
Die Betreuung eines Vergabeverfahrens stellt eine Rechtsdienstleistung i.S.v. § 3 RDG dar. Die öffentliche Ausschreibung der Leistungen zur Betreuung eines Vergabeverfahrens ist daher unzulässig, wenn sich diese auch an Personen richtet, die über keine Zulassung als Rechtsanwalt verfügen.

IBRRS 2025, 1915

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.04.2025 - 10 S 1455/23
1. Zur Errichtung einer Windenergieanlage im Abstand von lediglich ca. 420 m zu einem Rotmilanhorst, ohne dass im konkreten Fall ein vorhabenbedingtes signifikant erhöhtes Tötungsrisiko i.S.v. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.*)
2. Es ist naturschutzfachlich zwar anerkannt, dass die phänologischen Phasen bzw. die relevanten Aktivitätsperioden der zu untersuchenden Vogelart ebenso wie dessen täglicher Aktivitätsmechanismus bei der Erfassung zu berücksichtigen sind. Ein fachlicher Standard dergestalt, dass in den einzelnen phänologischen Phasen eine bestimmte Zahl an Beobachtungstagen zwingend einzuhalten ist, lässt sich jedoch nicht feststellen.*)
3. Stellt die Genehmigungsbehörde die Standsicherheit dadurch sicher, dass die Erteilung eines Baufreigabescheins an eine vollständige Prüfung der Standsicherheit geknüpft wird, erstreckt sich die Feststellungswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht auf die Standsicherheit. Darin liegt auch keine unzulässige Verlagerung der Prüfung der Standsicherheit aus dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren in ein nachgelagertes Verfahren.*)

IBRRS 2025, 1987

AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 25.07.2025 - 980b C 38/24 WEG
1. Gibt der Kläger für den Beklagten eine falsche Adresse an, so hat er die verzögerte Zustellung der Klage zu vertreten.
2. Wendet sich ein Wohnungseigentümer mit der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung eines Beschlussantrags (sog. Negativbeschluss), hat er hiermit nur dann Erfolg, wenn lediglich die beantragte positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, also insoweit das Ermessen auf null reduziert ist.
3. Die Unbestimmtheit eines Beschlusses führt nicht stets zur Nichtigkeit. Jedenfalls dann, wenn der Beschluss eine durchführbare Regelung noch erkennen lässt, die Unbestimmtheit also nicht auf inhaltlicher Widersprüchlichkeit beruht, führen die Mängel nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit.
4. Dürfen nach dem Beschluss Balkonkraftwerke angebracht werden, wenn der Eigentümer die Kosten trägt und das Gebäude nicht beschädigt wird, regelt der Beschluss aber keine weiteren Einzelheiten zu Art, Größe, Umfang, Installationsort, Hersteller etc., entspricht er zwar mangels konkreter Festlegungen zu der jeweiligen Maßnahme nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, ist aber nicht nichtig.
5. Ein Anspruch des Wohnungseigentümers auf Fassung eines Zweitbeschlusses bei einem ordnungswidrigen Erstbeschluss kann gegeben sein, wenn schwer wiegende tatsächliche Gründe das Festhalten an dem - nicht nichtigen - (Erst-)Beschluss als treuwidrig erscheinen lassen und der bestehende Zustand in seinem Sinn verändert werden muss oder wenn eine Abänderung wegen einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse - aufgrund einer Gesetzesänderung oder einer Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung - geboten ist.
6. Es verbleibt dem Eigentümer die Möglichkeit, sich gegen Störungen, die von den aufgrund des bestandskräftigen Beschlusses umgesetzten baulichen Veränderungen bzw. deren Nutzung ausgehen, zur Wehr zu setzen.

IBRRS 2025, 2005

OLG München, Urteil vom 28.07.2025 - 19 U 2640/24
1. Der verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB steht auch dem mittelbaren Besitzer des beeinträchtigten Grundstücksteils zu.*)
2. Aufgrund eines Entschädigungsanspruchs gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog kann nicht Schadensersatz, sondern lediglich ein nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bestimmender Ausgleich verlangt werden. Gleichwohl kommt die Entschädigungsregelung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs einem vollen Schadensersatz vielfach gleich.*)
3. Gegenstand des Ausgleichs einer Besitzstörung in Geld ist jedenfalls, was dem Besitzer durch den Eingriff in seine berechtigte Besitzposition entgangen ist, regelmäßig also die Möglichkeit zur Nutzung der Sache. Namentlich sind infolge der Besitzstörung eingetretene Ertragseinbußen auszugleichen. Neben dem Ertragsverlust sind zudem diejenigen Aufwendungen zu ersetzen, die erforderlich sind, um eine ungestörte Fortführung eines mit dem Besitz verbundenen Betriebs zu gewährleisten.*)
4. Der Senat kann die umstrittene Frage offen lassen, ob der Besitzer aufgrund der Verletzung seines Besitzrechts durch die Beschädigung der Sache wie der Eigentümer aus eigenem Recht den Ersatz der Reparaturkosten, das heißt des Substanzschadens, verlangen kann.*)
5. Ist mit dem mittelbaren Besitz des beeinträchtigten Grundstücksteils dessen Nutzung als Vermietungsobjekt verbunden, so kann der mittelbare Besitzer jedenfalls auch diejenigen Aufwendungen ersetzt verlangen, die erforderlich sind, um eine ungestörte Fortführung des mit dem mittelbaren Besitz verbundenen Vermietungsbetriebs zu gewährleisten. Gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB hat der Vermieter - unabhängig von den Eigentumsverhältnissen - die Mietsache während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Widrigenfalls hat er eine Mietminderung durch seine Mieter zu gewärtigen. Daher können die Kosten für die vollständige Reparatur des beeinträchtigten, vermieteten Grundstücksteils ersatzfähig sein, auch wenn dies der Höhe nach mit dem Ersatz des Substanzschadens deckungsgleich ist.*)

IBRRS 2025, 2028

OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.07.2025 - 8 W 1286/25
1. Ob objektive Gründe vorliegen, die an der Unvoreingenommenheit eines Sachverständigen zweifeln lassen, entzieht sich einer schematischen Betrachtungsweise und kann nur aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.
2. Die bloße Überschreitung des Gutachtenauftrags durch den Sachverständigen begründet regelmäßig noch nicht die Besorgnis der Befangenheit, solange sie nicht als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung bzw. einer "Belastungstendenz" zu Ungunsten einer Partei gedeutet werden kann. Nicht ausreichend ist jedenfalls, dass der Sachverständige lediglich irrtümlich das Beweisthema unzutreffend erfasst.

IBRRS 2025, 2018

KG, Beschluss vom 30.07.2025 - 7 U 87/24
1. Maßgeblich für den Fristbeginn für ein Rechtsmittel eines Streithelfers für die von ihm unterstützte (Haupt-)Partei kommt es nicht auf den Zugang der angegriffenen Entscheidung bei ihm, dem Streithelfer, sondern auf den Zugang der angegriffenen Entscheidung bei der unterstützten Partei an.
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist für die Bestimmung des Gegenstandswerts jedenfalls dann ohne Bedeutung, wenn sie nicht spätestens innerhalb der Frist zur Begründung des Rechtsmittels erfolgt.
IBRRS 2025, 1978

AG Ahrensburg, Urteil vom 28.01.2025 - 37a C 6/24
1. Zustellungs-Verzögerungen, die aus der Einschaltung einer Rechtsschutzversicherung resultieren, gereichen der Kläger-Partei jedenfalls aus Gründen der Gleichbehandlung zum Nachteil.
2. Zahlt der Rechtsschutzversicherer den Kostenvorschuss zwar bei der Landeskasse ein, kann eine Zuordnung des Zahlungseingangs von der Landeskasse aufgrund der Angabe eines unzutreffenden Verwendungszweckes des Rechtsschutzversicherers jedoch (zunächst) nicht vorgenommen werden, geht dies zu Lasten des Klägers.
3. Das Gericht nicht verpflichtet, den Kläger auf den fehlenden Vorschusseingang hinzuweisen oder ohne Anhaltspunkte Nachfragen an die Landeskasse zu stellen.
4. Die Fristen des § 45 WEG finden keine Anwendung auf die Beschlussersetzungsklage.
5. Ein Wohnungseigentümer hat nur dann auf einen Beschluss einen Anspruch, wenn sein Gegenstand noch nicht durch Gesetz, Vereinbarung oder Beschluss geregelt ist

Online seit 5. August
IBRRS 2025, 1994
OLG Schleswig, Urteil vom 25.06.2025 - 12 U 67/24
1. Gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB beträgt die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche wegen Mängeln an Bauwerken gegen den Architekten fünf Jahre. Die Vorschrift ist nicht nur bei der Neuherstellung eines Bauwerks anwendbar. Vielmehr gilt sie auch, wenn Planungs- und Überwachungsleistungen bei der grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes erbracht werden sollen (vgl. BGH, IBR 2019, 203).*)
2. Die Verjährungsfrist beginnt mit der Abnahme des Werks zu laufen (§ 634a Abs. 2 BGB), die auch konkludent erfolgen kann.*)
3. Eine konkludente Abnahme setzt ‒ wie die ausdrückliche Abnahme ‒ ein vom Willen des Auftraggebers getragenes Verhalten voraus (Abnahmewillen). Daher ist eine stillschweigend erklärte und damit schlüssige Abnahme immer dann gegeben, wenn der Auftragnehmer durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er die Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht ansieht (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl., Rz. 1776). Ein solches Verhalten kann auch in der Zahlung der Schlussrechnung zu sehen sein, sofern zu diesem Zeitpunkt keine wesentlichen Mängel erkennbar sind. Unbekannte Mängel sowie bekannte unwesentliche Mängel oder Restarbeiten stehen einer konkludenten Abnahme nicht entgegen (vgl. Grüneberg/Retzlaff, BGB, 84. Aufl., § 640 Rz. 9 m.w.N.).*)
4. Die Abnahme der Architektenleistungen hängt dabei nicht grundsätzlich davon ab, dass die bei Abnahme der Bauunternehmerleistungen festgestellten Mängel beseitigt sind. Dies gilt nur dann, wenn der Architekt nach seinem Vertrag neben der "Mitwirkung bei der Abnahme der Leistungen" auch das "Überwachen der Beseitigung der bei der Abnahme der Leistungen festgestellten Mängel" schuldet (vgl. BGH, IBR 2019, 203).*)
5. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat der mit der Planung und Bauüberwachung beauftragte Architekt dem Bauherrn aber auch unabhängig von einer ausdrücklichen vertraglichen Verpflichtung nach Beendigung seiner eigentlichen Tätigkeit bei der Behebung von Baumängeln zur Seite zu stehen (vgl. grundlegend BGH, IBR 1996, 201). Aufgrund seiner Betreuungsaufgaben hat er dabei nicht nur die Rechte des Bauherrn gegenüber den Bauunternehmen zu wahren; ihm obliegt vielmehr auch die objektive Klärung von Mängelursachen, selbst wenn hierzu eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.1985 - VII ZR 50/84, IBRRS 1985, 0544).*)
6. Voraussetzung dafür ist weiter, dass die Mängel und deren Aufklärung im Rahmen seines jeweils übernommenen Aufgabengebiets liegen, er insbesondere die Leistungsphase 8 nach der HOAI oder zumindest die Bauüberwachung übernommen hat. In dem Fall schuldet er als Sachwalter des Bauherrn die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel sowie die sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung und der sich daraus ergebenden Rechtslage (vgl. BGH, Urteil vom 04.10.1984 - VII ZR 342/83, IBRRS 1984, 0562).*)
7. Eine Sekundärhaftung kommt dabei nur hinsichtlich solcher Mängel in Betracht, die sich bereits vor Ablauf der Verjährung der Primäransprüche gezeigt haben (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rz. 1986, unter Hinweis auf KG, IBR 2008, 36).*)
8. Verletzt der Architekt schuldhaft diese Untersuchungs- und Beratungspflicht, so ist er dem Bauherrn zum Schadensersatz verpflichtet. Er kann sich ihm gegenüber dann auch nicht auf die Einrede der Verjährung berufen (= Sekundärhaftung; vgl. BGH, Urteil vom 04.10.1984 - VII ZR 342/83, IBRRS 1984, 0562).*)
9. Von der Ursächlichkeit der Verletzung dieser Untersuchungs- und Beratungspflicht für den eingetretenen Schaden ist auszugehen, wenn der Auftraggeber bei entsprechender Aufklärung rechtzeitig gegen den Architekten vorgegangen wäre. Hierfür spricht eine tatsächliche Vermutung (vgl. BGH, IBR 2007, 85).*)
IBRRS 2025, 2011

VK Westfalen, Beschluss vom 04.07.2025 - VK 3-31/25
Eine Firmenadresse ist eine Information, die die Vergabeentscheidung eines öffentlichen Auftraggebers i.S.v. § 124 Abs. 1 Nr. 9 c) GWB erheblich beeinflussen kann. Denn neben der wirtschaftlichen Substanz steht die Richtigkeit der Unternehmensadresse dafür, dass es das betreffende Unternehmen überhaupt gibt.*)

IBRRS 2025, 1909

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.06.2025 - 2 R 35/25
Hat die Gemeinde ihre Planungshoheit durch die Prüfung und Erteilung ihres Einvernehmens gewahrt, wird sie entsprechend ihrer Verantwortung zur eigenständigen Prüfung der bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen im Genehmigungsverfahren ähnlich behandelt, als habe sie die Baugenehmigung mit Erteilung des Einvernehmens selbst erteilt. So wie die Gemeinde keinen Anspruch auf gerichtliche Aufhebung einer von ihr selbst erteilten Baugenehmigung hätte, steht ihr auch im Falle ihrer Mitwirkung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Aufhebung einer gleichsam von ihr selbst (mit-)erteilten Genehmigung zu.*)

IBRRS 2025, 1912

VG Karlsruhe, Urteil vom 30.04.2025 - 2 K 6709/24
1. Bei der Frage, ob es sich bei einer überwiegend aus Wochenendhäusern bestehenden Bebauung um ein faktisches Wochenendhausgebiet handelt, können Wochenendhäuser für das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs ausnahmsweise maßstabsbildend sein, auch wenn sie nur dem vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dienen.*)
2. Die Einstufung als faktisches Wochenendhausgebiet hat allerdings zur Voraussetzung, dass die maßstabsbildende Bebauung auch einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil i. S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet, der Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist, die auf eine städtebaulich angemessene Fortentwicklung angelegt ist.*)
3. In einem von Seeflächen durchsetztem ehemaligen Kies- und Tonabbaugebiet ist eine regellose und ungeordnete Bebauung mit Anlagen ganz überwiegend zur Wochenend- und Freizeitnutzung, die im Wesentlichen der mit der Ufernähe einhergehenden Standortattraktivität folgt und im Übrigen sich selbst überlassen ist, nicht Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur.*)

IBRRS 2025, 1790

LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 13.06.2025 - 2-09 S 12/25
1. Eine Anfechtungsklage ist nicht schon dann begründet, wenn dem klagenden Eigentümer vor der Beschlussfassung keine Einsicht in die Verwaltungsunterlagen und Belege gewährt wurde.
2. Vielmehr liegt lediglich ein formeller Fehler vor, so dass der Eigentümer vortragen muss, dass sich dieser Mangel auch kausal auf die Beschlussfassung ausgewirkt hat oder dass die Ursächlichkeit des Mangels jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann.
3. Erfolgt das Verlangen nach Einsichtnahme erst nach der Beschlussfassung, kann eine Kausalität ausgeschlossen werden.
4. Für die Ordnungsgemäßheit der Jahresabrechnung ist alleine maßgeblich, dass die tatsächlich stattgefundenen Ausgaben rechnerisch richtig ermittelt und zutreffend umgelegt wurden, wobei unerheblich ist, ob es hierfür einen Sachgrund gibt oder Beschlüsse vorgelegen haben.

IBRRS 2025, 1634

KG, Beschluss vom 28.04.2025 - 8 U 86/24
1. Der zum Grundbuchinhalt gewordene Aufteilungsplan hat dieselbe Funktion wie ein Katasterplan eines Grundstücks, nämlich dem Bestimmtheitsgrundsatz des Sachen- und Grundbuchrechts Rechnung zu tragen und eine sachenrechtliche Abgrenzung zu erreichen.
2. Die Vermutung des § 891 BGB erstreckt sich daher auch auf diesen räumlichen Bestand des Rechts.
3. Grundsätzlich geht der Wille der Kaufvertragsparteien dahin, das durch Bezugnahme auf den Grundbuchinhalt bezeichnete Grundeigentum zu verkaufen und aufzulassen.
4. Allerdings kann in Ausnahmefällen festzustellen sein, dass dies eine irrtümliche Falschbezeichnung ist (sog. falsa demonstratio), die angesichts des übereinstimmenden abweichenden Willens der Kaufvertragsparteien unschädlich ist, so dass sich die Auflassung dann tatsächlich auf ein anderes Objekt bezieht.

IBRRS 2025, 1959

OLG München, Beschluss vom 02.07.2025 - 28 U 1077/25 Bau
1. Ob ein Garantiefall im Rahmen eines selbstständigen Garantievertrags eingetreten ist, ist durch Auslegung des Garantieversprechens zu ermitteln.
2. Die Leistungsgarantie für einen Batteriespeicher bezieht sich (hier) nur auf die sog. Degradation (sukzessiver Kapazitätsverlust).
3. Dass es im Zusammenhang mit Batteriespeichern des Herstellers zu Brandereignissen kam, kann zwar eine werkvertragliche Mängelhaftung begründen, (hier) jedoch keinen Garantiefall im Rahmen eines selbstständigen Garantievertrags.

IBRRS 2025, 2012

LSG Bayern, Urteil vom 10.09.2024 - L 8 SO 226/22
1. Hat ein Bevollmächtigter im Widerspruchsverfahren seine Vollmacht auf Verlangen (…) innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nachgewiesen, kann der Widerspruch als unzulässig verworfen werden.*)
2. Der Mangel der Vollmacht im Widerspruchsverfahren kann nicht durch die nachträgliche Vorlage einer Vollmacht im Klageverfahren geheilt werden.*)
3. Die Anforderung des Nachweises der Vollmacht muss regelmäßig mit einer angemessenen Frist und dem Hinweis verbunden sein, dass anderenfalls der Widerspruch als unzulässig verworfen wird.*)

IBRRS 2025, 1919

LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 01.07.2025 - L 9 SO 55/25
1. Die Richtigkeit der Begründung einer die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz ablehnenden Entscheidung unterliegt nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts.*)
2. Wegen des Fehlens eines formalen Beschlusses über die Ablehnung der Videokonferenz vor der mündlichen Verhandlung kann eine Gehörsrüge nur dann in Betracht kommen, wenn die Teilnahme an der Videokonferenz zuvor in dem betreffenden Verfahren beantragt worden ist.*)
3. Gestattet das Sozialgericht einem im Ausland lebenden, in der mündlichen Verhandlung durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten nicht, an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz teilzunehmen, berührt dies den Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich nur dann, wenn sich das Erfordernis einer persönlichen Anhörung dem Gericht aufdrängen muss.*)

IBRRS 2025, 1793

LG Stuttgart, Beschluss vom 20.05.2025 - 10 T 102/25
1. Ein Ablehnungsersuchen kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden.
2. Der Einwand des Klägers, die Entscheidung eines Richters gehe über pauschale Behauptungen nicht hinaus, ist damit nicht geeignet, die Befangenheit des abgelehnten Richters zu begründen.

Online seit 4. August
IBRRS 2025, 1993
OLG Schleswig, Urteil vom 10.07.2025 - 12 U 12/24
1. Bei einem Bauträgervertrag stellen kauf- und werkvertraglicher Teil Teile eines einheitlichen Ganzen dar und ergeben nur gemeinsam Sinn. Die einzelnen Leistungen sind daher beim Bauträgervertrag ins Synallagma eines einheitlichen Vertragsverhältnisses einbezogen, es handelt sich mithin in aller Regel um einen einheitlichen, gemischten Vertrag. Ein solcher unterfällt schon aufgrund der objektiven Untrennbarkeit seiner Bestandteile in Gänze der Beurkundungspflicht des § 311b Abs. 1 BGB (vgl. BeckOGK/Schreindorfer, 01.10.2023, BGB § 311b Rz. 209; ausführlich auch KG, IBR 2021, 228).*)
2. Wird die Form nicht eingehalten, erstreckt sich die Nichtigkeit auf den gesamten Vertrag, nichtig ist danach nicht nur die formlose Nebenabrede, sondern grundsätzlich auch der notariell beurkundete Vertrag, § 125 BGB (s. zu dieser umfassenden Rechtsfolge Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 311b Rz. 45).*)
3. Bei - weiteren - objektiv selbstständigen Verträgen (hier: zusätzlich zum Rohbauvertrag ein weiterer Vertrag über einen schlüsselfertigen Ausbau) bedarf es zur Herstellung des rechtlichen Zusammenhangs eines zusätzlichen subjektiven Verknüpfungsmoments - dem Verknüpfungswillen der Parteien.*)
4. Für den Verknüpfungswillen kommt es nicht auf die wechselseitige Abhängigkeit der Verträge voneinander, sondern nur auf die einseitige Abhängigkeit des Grundstücksvertrags von dem anderen Vertrag bzw. den anderen Verträgen an. Nur, wenn der Grundstücksvertrag nach dem Willen der Parteien vom anderen Vertrag abhängig ist, erstreckt sich der Normzweck des § 311b Abs. 1 BGB auf letzteren, welcher daher mitzubeurkunden ist, im umgekehrten Fall nicht (vgl. zu alledem BeckOGK/Schreindorfer, 01.10.2023, BGB § 311b Rz. 183 bis 185, m.w.N.; ebenso BGH, IBR 2010, 570 ).*)
4. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Verknüpfungswillens trägt grundsätzlich die Partei, die sich auf die Formnichtigkeit des Vertrags beruft (vgl. BeckOGK/Schreindorfer, 01.10.2023, BGB § 311b Rz. 186 bis 197).*)
5. Im Fall der Formnichtigkeit einer Vereinbarung kann die Berufung einer Partei hierauf ausnahmsweise wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unbeachtlich sein. Das gilt dann, wenn auf Seiten desjenigen, welcher der Geltendmachung der Formnichtigkeit entgegentritt, ein Irrtum über die rechtliche Notwendigkeit der Förmlichkeit vorgelegen hat und dieser Irrtum vom Geschäftsgegner schuldhaft, mindestens fahrlässig, verursacht worden war, oder wenn derjenige, der sich auf den Formverstoß beruft, eine Haltung eingenommen hat, die mit seinem früheren Verhalten nach Treu und Glauben unvereinbar ist. Entsprechendes gilt, wenn eine Partei, sei es auch nur unabsichtlich, die andere zum Absehen vom erforderlichen Abschluss eines formgültigen Vertrags veranlasst und diese daraufhin angenommen hat, dass eine formlose Vereinbarung genüge (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.1981 - VII ZR 230/80, IBRRS 1981, 0504).*)
6. Insbesondere für Bauverträge hat der BGH überdies entschieden, die Geltendmachung von deren Nichtigkeit durch den Unternehmer sei unter dem Gesichtspunkt selbstwidersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen, wenn er in Kenntnis der die Nichtigkeit begründenden Umstände den Vertrag durchführt, sozusagen "ins Werk gesetzt" und seine Bauleistung erbracht hat (vgl. BGH, IBR 2008, 431, zu den Auswirkungen einer nach §§ 134, 138 BGB nichtigen "Ohne-Rechnung-Abrede" in einem Bauvertrag; vgl. außerdem: KG, IBR 2020, 348; OLG Karlsruhe, IBR 2018, 564).
7. Ein Rücktritt des Verkäufers vom Grundstückskaufvertrag wegen Ausstehens eines geringen Kaufpreisanteils (hier: 5%) scheidet gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB wegen Unerheblichkeit aus.*)
8. Der Auflassung und Bewilligung der Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch steht nicht entgegen, dass er den Kaufpreis noch nicht vollständig gezahlt hat, wenn dem Anspruch des Verkäufers auf restliche Kaufpreiszahlung Mängelbeseitigungsansprüche des Klägers entgegenstehen, aufgrund derer er nach Treu und Glauben den restlichen Kaufpreis zurückbehalten kann.*)

IBRRS 2025, 1989

LG Frankenthal, Urteil vom 15.04.2025 - 8 O 214/24
1. Ein Vertrag über die Ausführung von Gartenbauarbeiten auf einem "verwilderten" Grundstück ist ein Bauvertrag i.S.v. § 650a BGB.
2. Wird der Bauvertrag mit einem privaten Auftraggeber "vor Ort" geschlossen, handelt sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag. Damit hat der Auftraggeber als Verbraucher ein Widerrufsrecht.
3. Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss. Das gilt nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Dann läuft das Recht des Verbrauchers zum Widerruf innerhalb von einem Jahr und 14 Tagen nach Vertragsschluss ab.
4. Wurde der Verbraucher-Bauherr nicht ordnungsgemäß belehrt und hat er sein Widerrufsrecht fristgerecht ausgeübt, steht dem Unternehmer für die ausgeführten Arbeiten grundsätzlich weder ein Vergütungsanspruch noch ein Anspruch auf Wertersatz zu.

IBRRS 2025, 1982

VK Berlin, Beschluss vom 26.06.2025 - VK B 1-21/21
1. Der öffentliche Auftraggeber darf auch nach Durchführung der Preisaufklärung ein Angebot nur auf feststehender, tatsächlich gesicherter Tatsachengrundlage ausschließen, insbesondere müssen die Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots plausibel sein und auf einer tragfähigen Grundlage beruhen (hier verneint).
2. Angebote, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, werden von der Wertung ausgeschlossen, insbesondere solche, die die geforderten Nachweise nicht enthalten. Maßgeblich sind insoweit allein die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und Nachweise.

IBRRS 2025, 1908

OVG Saarland, Beschluss vom 23.06.2025 - 2 A 164/24
1. Einzelfall eines Bebauungsplans, der mit Blick darauf, dass rund die Hälfte der im Plangebiet liegenden Grundstücke noch plangerecht bebaut werden kann, nicht funktionslos geworden ist.*)
2. Die Frage der Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans ist nur nach den objektiv im Plangebiet vorgefundenen tatsächlichen Gegebenheiten zu bewerten. Das Verhalten und die Intention der plangebenden Gemeinde ist demgegenüber rechtlich ohne Belang.*)
3. Für die Beurteilung des Funktionsloswerdens einer bauplanerischen Festsetzung ist die zwischenzeitliche Entwicklung einer von dem Bebauungsplan abweichenden (neuen) planerischen Konzeption ohne Bedeutung, solange die Gemeinde als Planungsträgerin diesen Vorstellungen nicht im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden planungsrechtlichen Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans rechtlich verbindlich Ausdruck verleiht.*)
4. Eine Bauaufsichtsbehörde muss nicht gegen alle baurechtswidrigen Zustände in einem Gebiet zeitgleich vorgehen, sondern darf - etwa in Ermangelung ausreichender personeller oder sächlicher Mittel - auch anlassbezogen eingreifen und sich, wenn sie hierfür sachliche Gründe anführen kann, (zunächst) auf Einzelfälle beschränken.*)

IBRRS 2025, 2001

AG Hamburg, Urteil vom 04.07.2025 - 49 C 237/24
1. Es handelt sich bei einer Nichtbeachtung einer gerichtlich titulierten Verpflichtung um eine schwer wiegende, die Kündigung rechtfertigende Vertragspflichtverletzung.
2. Es steht dem Mieter insbesondere nicht frei, die Vorgaben seiner gerichtlich rechtskräftig titulierten Duldungspflicht weiter einzuschränken.
3. Einer Abhilfefrist nach § 543 Abs. 3 BGB bedarf es nicht, da dem Mieter bereits im Klageverfahren deutlich gemacht worden ist, was er zu dulden hat. Eine nochmalige Fristsetzung wäre eine sinnlose Förmlichkeit.
4. Einem Mieter, der seinem Vermieter nur eine Mängelbesichtigung von 10 Minuten erlaubt, obwohl ihm das Gericht eine halbe Stunde gewährt hat, und ein Berühren der angeblich schadhaften Sachen verbietet, kann fristlos gekündigt werden.

IBRRS 2025, 1965

OLG Hamburg, Urteil vom 12.12.2024 - 6 U 116/21
1. Eine Beschaffenheitsvereinbarung setzt keine ausdrücklichen Erklärungen der Parteien voraus, sondern kann sich auch aus den Umständen des Vertragsschlusses wie etwa dem Kontext der dabei geführten Gespräche oder den bei dieser Gelegenheit abgegebenen Beschreibungen ergeben.
2. Die Angabe eines "Circa"-Baujahrs steht der Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung nicht entgegen.
3. Die Auslegung des Begriffs "zeitgemäße Elektroausstattung" ergibt, dass ein vor längerer Zeit modernisierter Zustand geschaffen wurde, so dass die Elektrik den üblichen Anforderungen gewachsen ist. Damit geht auch einher, dass überhaupt eine Nutzung der Elektroinstallation ohne Gefahr für die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude bzw. die dort wohnenden Personen möglich ist.
4. Eine Beschreibung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit der Vermietung von acht Wohneinheiten stellt eine Beschaffenheitsvereinbarung dar.
5. Als Rechtsfolge ist bei einer Minderung der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zum wirklichen Wert gestanden haben würde.
