OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.05.2022 - 9 W 24/22
1. Der Verstoß eines abgelehnten Richters gegen die Wartepflicht gemäß § 47 Abs. 1 ZPO kann eine Besorgnis der Befangenheit begründen.*)
2. Der Hinweis des abgelehnten Richters, er habe sich bei Eingang der Klageerwiderung zunächst nur das Inhaltsverzeichnis angeschaut und dadurch einen Befangenheitsantrag übersehen, entspricht unabhängig von der Länge des Schriftsatzes nicht den berechtigten Erwartungen der Partei.*)
3. Verstößt ein Richter zweimal gegen seine Wartepflicht gemäß § 47 Abs. 1 ZPO, weil er in zwei Schriftsätzen die Befangenheitsanträge der Beklagten übersehen hat, kann dies aus der Perspektive der Partei den Eindruck evident fehlender Sorgfalt erwecken. Dies kann die Befürchtung begründen, der Richter werde auch bei einer späteren Sachentscheidung das Vorbringen der Partei nicht in angemessener Weise ernst nehmen.*)
Volltext