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IBRRS 2019, 3445
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Wer keinen Bauantrag stellt, muss mit einer Nutzungsuntersagung rechnen!

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.08.2019 - 2 M 85/19

1. Für die Begründung einer Anordnung der sofortigen Vollziehung können bei gleichartigen Tatbeständen gleiche oder "gruppentypisierte" Begründungen ausreichen, soweit gewährleistet ist, dass auch die Besonderheiten des Einzelfalls Berücksichtigung finden.*)

2. Regelmäßig entspricht es einer pflichtgemäßen Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch eine entsprechende Anordnung unterbindet.*)

3. Ein sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO liegt nur vor, wenn das Vorhaben bei typisierender Betrachtungsweise bezogen auf den Gebietscharakter eines allgemeinen Wohngebiets keine gebietsunüblichen Störungen bewirkt. Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind daher nicht zulässig, wenn das Vorhaben - bezogen auf den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets - aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt.*)

4. Eine Hochzeits- und Eventlocation ist in einem allgemeinen Wohngebiet nicht offensichtlich als nicht störender Gewerbebetrieb i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig.*)

5. Es bleibt offen, ob eine Hochzeits- und Eventlocation dem Anwendungsbereich der TA Lärm oder der Freizeitlärm-Richtlinie unterfällt.*)

6. Eine sich auf die formelle Illegalität einer Nutzung gestützte Nutzungsuntersagung stellt sich mit Blick auf eine mögliche Genehmigungsfähigkeit der Nutzung im Regelfall nur dann als unverhältnismäßig dar, wenn der erforderliche Bauantrag gestellt und nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist und der Erteilung der Baugenehmigung auch sonst keine Hindernisse entgegenstehen (Anschluss an OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.07.2019 - 10 B 678/19, IBRRS 2019, 3443).*)

7. Es kann dahinstehen, ob die Bauaufsichtsbehörde zu einer Anordnung, einen Bauantrag zu stellen, befugt ist. Eine solche Anordnung erweist sich jedenfalls nicht als "milderes Mittel" gegenüber einer Nutzungsuntersagung, wenn das Vorhaben nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist und die Genehmigungsfähigkeit nicht offensichtlich ist.*)

8. Eine Nutzungsuntersagung ist nicht im Hinblick auf das Insolvenzrisiko des betroffenen Unternehmens unverhältnismäßig, wenn das Unternehmen in Kenntnis des Erfordernisses einer Baugenehmigung und der von der Bauaufsichtsbehörde geäußerten Bedenken gegen die Zulässigkeit der beabsichtigten Nutzung den Betrieb aufgenommen hat, ohne vorab die baurechtliche Zulässigkeit zu klären.*)

9. Bei der Bemessung des Zwangsgelds hat die Behörde ein weites Ermessen. Die Behörde darf auch berücksichtigen, dass sich der Pflichtige zuvor bewusst über Rechtsvorschriften hinweggesetzt hat und deshalb ein der Anordnung entsprechendes Verhalten nicht zu erwarten ist.*)

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Dokument öffnen IBR 2020, 98