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IBRRS 2024, 1340; VPRRS 2024, 0085
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Mängel beim Vorauftrag sind kein gutes Omen!

VK Rheinland, Beschluss vom 11.05.2023 - VK 9/23

1. Eine fehlende Antragsbefugnis für einen Nachprüfungsantrag kann nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Antragsteller, nachdem der Auftraggeber das Vertragsverhältnis außerordentlich kündigte nunmehr seinerseits kündigt, wenn die Kündigung zur Wahrung eigener Interessen des Antragstellers und zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile erfolgt.*)

2. Die Darlegungs- und Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands von § 3a EU Abs. 3 Satz 4 VOB/A 2019 trägt der öffentliche Auftraggeber, wobei diese Ausnahmeregelungen sehr eng auszulegen sind und eine sorgfältige Abwägung, Begründung und umfassende Dokumentation erfordern.*)

3. Von Bedeutung ist bei der gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vorzunehmenden Ermessensentscheidung, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen hat, dass es sich um eine Prognoseentscheidung des Auftraggebers handelt. Dabei hat der Auftraggeber zu prüfen, ob von dem Bieter trotz der zurückliegenden vorzeitigen Beendigung des öffentlichen Auftrags zukünftig eine sorgfältige, ordnungsgemäße und vertragstreue Auftragsausführung zu erwarten ist.*)

4. Eine erhebliche mangelhafte Auftragserfüllung lässt eine solche vertragstreue Aufgabenausführung in der Regel nicht erwarten. Diese liegt vor, wenn der Auftragnehmer in einem zurückliegenden Auftrag eine vertragliche Pflicht verletzt hat, die ihrem Umfang, ihrer Intensität und dem Grad der Vorwerfbarkeit von so schwerem Gewicht war, dass sie den ehemaligen Auftraggeber zur Beendigung, zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder zur Geltendmachung vergleichbarer Rechtsfolgen berechtigte. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn es nicht lediglich um kleinere, leicht zu behebende Mängel geht. Die Mängel müssen vielmehr den Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belasten.*)

5. Das Beweismaß für die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB liegt zwischen einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit gem. § 287 ZPO und dem Vollbeweis gem. § 286 ZPO .*)

6. Dieser Nachweis verlangt nach Auffassung der Kammer nicht, dass ein ggf. rechts- kräftiger Abschluss eines anhängigen Zivilprozesses abgewartet wird oder die Vergabekammer selbst eine umfangreiche und zeitintensive Beweisaufnahme durchführen muss. Das würde dem Beschleunigungsgrundsatz des § 167 GWB zuwiderlaufen.*)

7. Es muss im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens zwar nicht abschließend anhand einer umfangreichen Beweisaufnahme inzident geklärt werden, welche Leistungen der Beteiligten in welchem Stadium des Projekts zutreffend erbracht wurden oder sich als Schlechterfüllung erweisen. Die vorgelegten Unterlagen müssen aber nach Auffassung der Kammer zweifelsfrei schwerwiegende und letztlich nicht überbrückbare Konflikte zwischen den Beteiligten belegen.*)

8. Der Auftraggeber muss vor einem Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB eine dokumentierte Prognoseentscheidung treffen. Darin muss er darlegen, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten sei, dass dieser den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde. Eine Heilung der vorgenannten Mängel im Nachprüfungsverfahren ist nicht möglich.*)

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