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IBRRS 2019, 0560
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Abwasserbeseitigung ist keine bodenrechtliche Anforderung!

OVG Saarland, Beschluss vom 09.01.2019 - 2 B 289/18

1. Für die gegen eine unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilte Baugenehmigung (§ 72 Abs. 3 Satz 1 LBO-SL 2015) eröffneten Rechtsbehelfsmöglichkeiten der Gemeinden im Streit um die Rechtmäßigkeit dieser Ersetzung gelten bezogen auf den vorläufigen Rechtsschutz dieselben Grundsätze wie für den baurechtlichen Nachbarstreit. "Dritter" im Verständnis des § 212a Abs. 1 BauGB ist insoweit auch eine Standortgemeinde.*)

2. Nach dem das klarstellenden § 72 Abs. 4 LBO-SL 2015 entfällt die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 212a Abs. 1 BauGB sofort vollziehbare Baugenehmigung auch hinsichtlich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens.*)

3. Für eine Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung ist nur Raum, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung mit Blick auf die Position der Gemeinde ergibt. Der Unterschied zur Anfechtung durch private Nachbarn liegt im materiellen Prüfungsrahmen, also bei den Anforderungen an das Vorhaben, die durch eine Gemeinde reklamiert werden können. Diese sind auf das Bauplanungsrecht reduziert (§ 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Die Gemeinde hat insoweit aber generell einen Anspruch, dass die Untere Bauaufsichtsbehörde keine nach den Anforderungen der §§ 29 ff. BauGB nicht genehmigungsfähigen Bauvorhaben zulässt.*)

4. Die Anordnung des Suspensiveffekts des gemeindlichen Rechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung ist indes auch mit Blick auf die Planungshoheit nicht schon dann geboten, wenn dessen Erfolgsaussicht in der Hauptsache nach den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Eilrechtsschutzverfahrens, speziell aufgrund des Erfordernisses einer Beweisaufnahme, als offen einzustufen ist (im Anschluss an OVG Saarland, Beschlüsse vom 25.03.2011 - 2 B 100/11, IBRRS 2011, 1727, und vom 13.07.2011 - 2 B 231/11, IBRRS 2011, 2758).*)

5. Das für sonstige Vorhaben im Außenbereich dem § 35 Abs. 2 BauGB zu entnehmende Erfordernis der gesicherten Erschließung gilt grundsätzlich auch für die nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB aus Bestandsschutzgründen begünstigt zulässigen Außenbereichsvorhaben. Erfasst werden dabei begrifflich neben der wegemäßigen Erschließung auch die Strom- und Wasserversorgung sowie die Abwasserbeseitigung.*)

6. Die Anforderungen hängen, was die wegemäßige Erschließung angeht, auch insoweit maßgeblich davon ab, welchen Zu- und Abgangsverkehr das jeweilige konkrete Vorhaben auslöst (hier für die Einrichtung einer privaten Wohnung in einem ehemaligen Forsthaus).*)

7. Der Begriff der gesicherten Erschließung in den §§ 30 bis 35 BauGB ist ein bundesrechtlicher Begriff, der nicht durch Landesrecht konkretisiert wird.*)

8. Aus bundesrechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken, eine "gesicherte" Zufahrt nicht nur anzunehmen, wenn die Zufahrt zum öffentlichen Straßennetz öffentlich-rechtlich, also durch Baulast, gesichert ist, sondern beispielsweise auch dann, wenn sie dinglich, etwa durch Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit, gewährleistet ist.*)

9. Für eine dem Hauptsacheverfahren entsprechende Sachverhaltsermittlung durch eine Beweisaufnahme, etwa im Wege einer Ortsbesichtigung zur weiteren Ermittlung und Aufklärung des Sachverhalts, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich kein Raum. Ein aus dem verfassungsrechtlichen Effektivitätsgebot des Art. 19 Abs. 4 GG ableitbares Erfordernis der verfahrensmäßigen "Vorwegnahme" des Hauptsacheverfahrens, insbesondere hinsichtlich der Tatsachenermittlung, besteht insoweit in aller Regel nicht.*)

10. Die Einhaltung über das Planungsrecht hinausgehender bauordnungsrechtlicher Anforderungen, etwa an die Abwasserbeseitigung (§ 42 Abs. 3 LBO-SL 2015), gehört nicht zu den nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB von der Gemeinde zu beurteilenden bodenrechtlichen Anforderungen.*)

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