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IBRRS 2019, 1840
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Auftraggeber und Auftragnehmer kündigen: Welche Kündigung beendet den Vertrag?

OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.04.2019 - 22 U 62/18

1. Bei der Prüfung von wechselseitigen, sukzessiven, vertragsändernden bzw. vertragsbeendenden Erklärungen von Werkvertragsparteien ist eine chronologische Prüfungsmethode anzuwenden und - entgegen KG vom 16.02.2018 (IBR 2018, 317) - keine "materielle Gesamtbetrachtung" (d. h. ungeachtet des konkreten chronologischen Ablaufs) vorzunehmen. Maßgeblich ist allein, welche von zwei wechselseitigen, sukzessiv erfolgten Kündigungen als erste auf wirksame Weise das Vertragsverhältnis für die Zukunft beendet hat.*)

2. Eine Kündigung seitens des Auftragnehmers gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (ebenso wie eine Kündigung seitens des Auftraggebers gem. § 8 Abs. 5 VOB/B) muss grundsätzlich schriftlich erfolgen. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise im Einzelfall gelten, wenn die mündliche Kündigung als ausreichende Kündigung - d. h. quasi im Sinne einer einverständlichen Vertragsaufhebung - akzeptiert wird bzw. von einer konkludenten Abbedingung der Schriftform ausgegangen werden kann.*)

3. Erklärt der Auftraggeber, er sehe die (objektiv zu Recht erfolgte) Anforderung einer Sicherheit gem. § 648a BGB a.F. als "gegenstandslos" an, steht dies einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Sicherheit gleich und begründet zeitgleich (und noch vor Fristablauf) ein Leistungsverweigerungsrecht des Auftragnehmers.*)

4. Eine unwirksame außerordentliche Kündigung ist - mangels Vorbehalt bzw. Klarstellung - regelmäßig als freie Kündigung des Auftraggebers auszulegen bzw. dahin umzudeuten.*)

5. Hinsichtlich des anderweitigen Erwerbs trifft den Auftraggeber grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast, den Auftragnehmer indes eine sekundäre Darlegungslast dazu, ob und ggf. wie durch einen sog. "Füllauftrag" die kalkulierten Kosten gedeckt worden sind. Je wahrscheinlicher ein anderweitiger Erwerb ist, um so ausführlicher müssen die Angaben sein. Der Auftraggeber kann indes grundsätzlich nicht verlangen, dass der Auftragnehmer von vorneherein seine gesamte Geschäftsstruktur offenlegt, um ihm die Beurteilung zu ermöglichen, welche Aufträge auch ohne die Kündigung akquiriert worden wären.*)

6. Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung des Auftraggebers und einem Ersatzauftrag bestehen, um diesen als sog. "Füllauftrag" bewerten zu können. War der Auftragnehmer in der Lage, neben dem gekündigten Auftrag weitere Aufträge auszuführen, sind diese nicht als sog. "Füllaufträge" anzusehen. Sog. "Füllaufträge" können auch vorliegen, wenn sie später als der gekündigte Auftrag ausgeführt werden.*)

7. Die Anrechnung anderweitigen Erwerbs ist getrennt nach Kostenarten vorzunehmen.*)

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