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Zuschlagsverzögerung und BauSoll-Modifikation: Wie wird ein Nachtrag berechnet?

Grundsätzlich können in einem Nachtrag zur Abgeltung der Folgen einer Zuschlagsverzögerung im Risikobereich des Auftraggebers mit der Folge "Bauzeitverschiebung" nur Kostenänderungen mit der Kausalität "Zuschlagsverzögerung" berücksichtigt werden. Kostenänderungen, die der Auftragnehmer auch ohne Eintreten der Zuschlagsverzögerung hätte tragen müssen, gehören nicht dazu. So sind etwa jene Kosten nicht ersatzfähig, die auf eine Unterwertkalkulation zurückgehen, sie fallen grundsätzlich in den Risikobereich des Auftragnehmers, nicht des Auftraggebers; näher Drittler, Nachträge und Nachtragsprüfung, Rdn. 1026, 1030 f. Der Bundesgerichtshof bringt dies im obiter dictum seiner Entscheidung "Zuschlagsverzögerung II, Autobahnlos bei N." (BauR 2009, 1901, Rdn. 42 f. = IBR 2009, 628 (Kus)) wie folgt zum Ausdruck:

Der Soll-Ist-Vergleich der für die Ursache "Zuschlagsverzögerung" habe die Differenz zu bilden zwischen den Kosten, die beim Auftragnehmer für die Ausführung der Bauleistung tatsächlich angefallen sind, und den Kosten, die bei Erbringung der Bauleistung in dem nach der Ausschreibung vorgesehenen Zeitraum hätten aufgewendet werden müssen.
Es sind demnach hypothetische Ist-Kosten auf der Soll-Seite abzubilden. Denn Kosten, die der Auftragnehmer hätte aufwenden müssen, so der BGH weiter, entsprächen "nicht notwendig den in der Angebotskalkulation angesetzten Beschaffungskosten." Für die Ermittlung der etwa durch Preissteigerungen bei der Beschaffung von Stoffen bedingten Mehrkosten könne deshalb nicht auf die Einkaufspreise abgestellt werden, die der Auftragnehmer in seine Kalkulation eingerechnet hat. Maßgebend seien vielmehr die Preise, die er bei Einhaltung der in der Ausschreibung vorgegebenen Bauzeit hätte zahlen müssen.

Auf der Soll-Seite des Soll-Ist-Vergleichs sind jene Kosten einzusetzen, die der Auftragnehmer "bei Einhaltung der in der Ausschreibung vorgegebenen Bauzeit hätte zahlen müssen." Verallgemeinert geht es um hypothetisch-tatsächliche Kosten. Das ist schlüssig, denkt man etwa an einen urkalkulatorischen Unterwert. Würde in der Kostenberechnung für das Soll im Kosten-Soll-Ist-Vergleich der urkalkulatorische Ansatz genommen, so enthielte die Differenz zum Ist einen Ausgleich für den Unterwert aus dem Ur-Preis. Der urkalkulatorische Unterwert und sein Ausgleich kann als Bestandteil eines Nachtrags aber nicht in Betracht kommen. Denn das wäre kein Betrag, für den die Zuschlagsverzögerung kausal wäre. Die "Sanierung" eines unauskömmlichen Preises bzw. Preiselementes ist in einer regelgerechten Nachtragskalkulation durch entsprechend differenzierende Soll-Ist-Vergleiche auszuschließen. Gleiches gilt umgekehrt auch für den Fall, dass die Urkalkulation einen überauskömmlichen Ansatz zeigt. Auch dieser ist im Soll abzugrenzen, er kann den Nachtragspreis nicht schmälern.

Im Soll-Ist-Vergleich der Kosten ist es deshalb -- mit dem BGH -- richtig, auf der Soll-Seite die relevanten Preiselemente in jener Höhe abzubilden, in der sie dem Auftragnehmer ohne die Zuschlagsverzögerung entstanden wären. Konkret mit Bezug auf Stoffpreisveränderungen in der Folge einer Zuschlagsverzögerung sagt der BGH, es seien anzusetzen die "Preise, die er [der Auftragnehmer] bei Einhaltung der in der Ausschreibung vorgegebenen Bauzeit hätte zahlen müssen. "

Diese Grundüberlegung gilt analog für die Nachtragskalkulation einer BauSoll-Modifikation ...

mit Ansprüchen aus § 2 Abs. 5 bis 7 VOB/B. Das mag auf Widerspruch stoßen. Weil aber in der Praxis der Nachträge verbreitet schlichte Soll-Ist-Vergleiche mit tatsächlichen Kosten und urkalkulatorischen Ansätzen gefahren werden, verwundert die jüngst von Kniffka geäußerte Kritik an "Nachtrags(un)kultur" nicht. So mag vertreten werden, die "Unkultur" gehe auf teils unklare, unverständliche und widersprüchliche Formulierungen in den Vergütungsregelungen der VOB/B zurück (Kniffka in: Festschrift für Iwan, 2010, 207). Der Eindruck der "Unkultur" entstünde indessen zumindest unter dem Aspekt Kausalität nicht, würden Nachtragspreise im hier verstandenen Sinn ordentlich kalkuliert:
Es sind für das Soll hypothetisch-tatsächliche Kosten abzubilden.
Dass dies nicht immer frei von Bewertungsspielräumen möglich ist, ist eine andere Frage.



Dr.-Ing. Matthias Drittler
(erstellt am 04.10.2011 um 06:59 Uhr)

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