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Corona-Impfung im Betrieb: Was dürfen Arbeitgeber?

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(13.09.2021) Corona-Impfungen sind nun auch durch Betriebsärzte möglich. Kann jetzt der Arbeitgeber eine Impfung verlangen - und drohen Impfunwilligen womöglich arbeitsrechtliche Konsequenzen?

Seit dem 7. Juni 2021 können Betriebe ihre Arbeitnehmer durch den Betriebsarzt gegen Corona impfen lassen. Große Unternehmen nutzten diese Möglichkeit konsequent und richteten ganze Impfstraßen ein, um pro Woche fünfstellige Zahlen von Mitarbeitern zu impfen. Allerdings reichten die verfügbaren Impfdosen nicht immer für alle Impfwilligen. Auch stellt sich die Frage: Was passiert bei fortschreitender "Durchimpfung" der Betriebe mit Arbeitnehmern, die noch nicht geimpft sind - oder sich gar nicht impfen lassen wollen? Kann dies nachteilige Folgen für das Arbeitsverhältnis haben?

Kann mein Arbeitgeber verlangen, dass ich mich impfen lasse?
Nein, das kann er nicht. Es gibt in Deutschland keine gesetzliche Impfpflicht. Auch Arbeitgeber können daher die Impfung nicht zur Pflicht machen. Immerhin handelt es sich um einen körperlichen Eingriff - dafür reicht das Direktionsrecht des Chefs als Grundlage nicht aus.

Ein kleiner Spielraum für Ausnahmen könnte in der Gesundheitspflege und Gesundheitsvorsorge, also z.B. in Krankenhäusern und Arztpraxen, Alten- und Pflegeheimen sowie Pflegediensten gegeben sein. Zum Beispiel könnte die Kundschaft eines Pflegedienstes auf geimpftem Personal bestehen, sodass ungeimpfte Mitarbeiter deswegen absolut nicht mehr einsetzbar sind.

Ein Gegenargument besteht darin, dass die bestehenden Hygienemaßnahmen ausreichen und ihre Beibehaltung ein geringerer Eingriff in Grundrechte wäre, als eine Impfverpflichtung (Verhältnismäßigkeit). Auch besteht ja unabhängig von den Hygienemaßnahmen durchaus die Möglichkeit, dass Pfleger und Pflegerinnen sich wie bisher vor dem Arbeitseinsatz einem Schnelltest unterziehen.

Vertreten wird auch die Position, dass die Anordnung einer solchen Impfverpflichtung aufgrund der Schwere des Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Gesetzgeber obliegt. Erkennt dieser eine Notwendigkeit für eine verbindliche Impfung in bestimmten Tätigkeitsbereichen, so muss er diese regeln. Dies hat der Gesetzgeber bisher nicht getan.

Zuletzt ging man davon aus, dass sich diese Fragestellung inzwischen für die Tätigkeitsbereiche erledigt hätte, in denen die Kundschaft selbst weitgehend geimpft und damit geschützt war. Neue Aktualität erhält das Thema durch die sogenannten Impfdurchbrüche, also Erkrankungen trotz Impfung, die immer öfter auch in Alten- und Pflegeheimen zu beobachten sind.

Aus bisheriger Sicht ist eine Abmahnung des Arbeitnehmers wegen Verweigerung einer vom Arbeitgeber geforderten Impfung und eine anschließender Kündigung sehr wahrscheinlich mit Erfolg juristisch angreifbar.

Kann man eine Impfpflicht per Betriebsvereinbarung einführen?
Nein. Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen, nicht dagegen die Interessen des Arbeitgebers - dies ergibt sich aus § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz. Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers zählen aus diesem Grund nicht dazu.

Darf der Arbeitgeber mir kündigen, wenn ich mich nicht impfen lasse?
Nein. Auch wenn er sich eine Impfung aller Mitarbeiter wünscht, kann er Mitarbeitern, die sich nicht impfen lassen möchten, in aller Regel nicht kündigen.

Sperrt der Arbeitgeber ungeimpfte Beschäftigte wegen fehlendem Impfschutz aus dem Betrieb aus, riskiert er, in den sogenannten Annahmeverzug zu kommen - zumindest, wenn der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung ansonsten pünktlich angeboten hat. Dann muss der Chef den Lohn weiter zahlen - so steht es in § 615 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Darf der Arbeitgeber mich auf eine andere Stelle versetzen?
Natürlich könnten Arbeitgeber auf die Idee kommen, ungeimpfte Beschäftigte auf einen anderen Platz zu setzen, ihnen eine andere Tätigkeit zuzuweisen oder sie allein in ein anderes Büro zu beordern und so zu isolieren. Insoweit ist allerdings das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot aus § 612a BGB zu beachten. Nach dieser Regelung darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Und das ist hier der Fall, denn der Arbeitnehmer hat das Recht, sich impfen zu lassen - oder darauf zu verzichten (Selbstbestimmungsrecht).

Auch mit Blick auf die nachweislich mit Erfolg ein- und durchgeführten Hygieneregeln besteht kein Bedarf an der Versetzung eines Arbeitnehmers für den Arbeitgeber wegen Nichteinwilligung in die Corona-Impfung.

Andererseits hat der Arbeitgeber gleichzeitig auch eine Fürsorgepflicht gegenüber allen Arbeitnehmern und muss diese so gut wie möglich vor gesundheitlichen Schäden schützen. Dies kann dazu führen, dass er in der derzeitigen Situation dazu berechtigt ist, einen Mitarbeiter mit offensichtlichen Symptomen einer Atemwegserkrankung nach Hause zu schicken oder auf Corona testen zu lassen. Diese Fürsorgepflicht reicht aber nicht soweit, dass der Arbeitgeber Beschäftigte ohne irgendwelche Krankheitssymptome isolieren darf, nur weil sie nicht geimpft sind.

Kein Zugang zur Kantine für Ungeimpfte?
Aus dem gleichen Grund kann der Arbeitgeber ungeimpfte Beschäftigte auch nicht einfach aus der Kantine oder anderen Sozialräumen aussperren. Dem steht das Maßregelungsverbot entgegen. Übrigens ist der Arbeitgeber auch bei steigender Impfquote im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht und im Rahmen der Arbeitsschutzgesetze dazu verpflichtet, die vorgeschriebenen Corona-Schutzmaßnahmen im Betrieb einzuhalten. Dies macht auch Sinn, denn eine Corona-Impfung bedeutet keinen absoluten Schutz davor, sich anzustecken oder andere zu infizieren - sie verhindert in erster Linie einen schweren Verlauf.

Update 10.09.2021: Darf der Arbeitgeber nach dem Impfstatus fragen?
Am 10.09.2021 hat der Bundesrat einer Gesetzesänderung zugestimmt, die Arbeitgebern in bestimmten Branchen diese Frage erlaubt. Auch vorher galt bereits:

Eine Frage nach dem Impfstatus ist in folgenden Fällen zulässig:

1. Der Arbeitnehmer hat eingewilligt, diese Information herauszugeben. Art. 7 Abs. 4 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) schreibt aber vor, dass diese Einwilligung nur als freiwillig gilt, wenn sie keine Folgen für Vertragsbeziehungen - als für das Arbeitsverhältnis - hat.

2. Ausnahmsweise besteht ein Recht auf diese Information, wenn der Chef ein "berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse" daran hat und dieses schwerer wiegt, als das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung seiner Daten. Speziell verpflichtet das Infektionsschutzgesetz insbesondere die Leiter von Einrichtungen aus dem Gesundheitsbereich - vom Krankenhaus über den ambulanten Pflegedienst bis zum Dialysedienst - dazu, alle nach dem medizinischen Wissensstand erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Ansteckung von Patienten zu verhindern. Dazu kann nach § 23a IfSG auch die Erhebung und Verarbeitung der Impfdaten von Beschäftigten gehören. Diese Daten können als Grundlage für eine Einstellung von neuem Personal oder für die Arbeitseinteilung dienen.

Neu ist: Solange der Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tagweite festgestellt hat (derzeit bis 25. November 2021) sollen Arbeitgeber zum Beispiel in Schulen, Kindertageseinrichtungen, Obdachlosenunterkünften oder Justizvollzugsanstalten nach dem Impfstatus von Mitarbeitern fragen dürfen. Dies gilt für alle Bereiche, die in den ersten beiden Absätzen des § 36 Infektionsschutzgesetz genannt sind. Dort werden auch Seniorenheime und der Pflegebereich genannt.
Mit Ende der "epidemischen Lage" erlischt dieses Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impfstatus.
Eine Verweigerung der Auskunft kann arbeitsrechtliche Konsequenzen zur Folge haben - etwa eine Abmahnung und bei weiterer Weigerung eine Kündigung.
Die Änderungen sollen schnellstmöglich in Kraft treten. Dazu muss die Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom Bundespräsidenten unterzeichnet und im Bundesanzeiger veröffentlicht werden.

Impftermin während der Arbeitszeit - bekomme ich die Zeit bezahlt?
Arbeitnehmer haben im Normalfall Termine zur Gesundheitsvorsorge außerhalb ihrer Arbeitszeit wahrzunehmen. Nun kann man sich aber den Zeitpunkt seines Corona-Impftermins in der Regel nicht frei aussuchen.

Nach § 616 S. 1 BGB behalten Arbeitnehmer ihr Recht auf Vergütung, wenn sie kurzzeitig aus persönlichen Gründen vorübergehend an der Arbeitsleistung ohne eigenes Verschulden verhindert sind. Dieser Fall könnte hier vorliegen. Allerdings kann diese Vorschrift durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag abgeändert und aufgehoben werden - und das ist sehr oft der Fall.

Ein Recht auf bezahlte Freistellung zum Impftermin gibt es daher in vielen Fällen nicht. Allerdings bieten manche Arbeitgeber dies freiwillig an, um die Impfbereitschaft ihrer Mitarbeiter zu erhöhen.

Habe ich einen Anspruch auf eine Impfung beim Betriebsarzt?
Anspruch auf eine Impfung beim Betriebsarzt haben zunächst einmal alle Betriebsangehörigen. Dies gilt auch für Mitarbeiter, die zum Beispiel jenseits einer nahen Grenze in einem Nachbarland leben, also Grenzpendler, oder für Saisonbeschäftigte. Allerdings hängt natürlich die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, von der verfügbaren Impfstoffmenge ab. Die Priorisierung nach bestimmten Risikogruppen ist ab 7.6.2021 allgemein aufgehoben.

Praxistipp
Eine Impfpflicht besteht nach wie vor nicht. Bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit einer Corona-Impfung, deren Fehlen oder der Freistellung für einen Impftermin ist eine Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu empfehlen.

(Quelle: Anwalt-Suchservice)