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Preisbildungsregeln des BGB bei BauSoll-Modifikationen: Gesetzesinitiative gescheitert?

Seit mittlerweite gut fünf Jahren kennt das Bauvertragsrecht im BGB ein Regelungssystem zur Preisbildung bei einer einseitig vom Besteller angeordneten Änderung des vereinbarten Werkerfolgs oder einer zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendigen Änderung (§ 650b Abs. 2 BGB). Kurz und praktisch: BauSoll-Modifikation. Der Gesetzgeber wollte mit dem Regelungssystem zur Preisbildung (§ 650c Abs. 1 und 2 BGB) den in der Bauwirtschaft verbreiteten verdeckten Preismanipulationen entgegenwirken. Es braucht nicht viel zu der Auffassung, dieses Ansinnen als gescheitert anzusehen.

Die Initiative zu den gesetzlichen Preisbildungsregeln war getragen von einem Streben weg von der linearen Preisfortschreibung nach dem klassischen Verständnis der Korbion'schen Preisformel, mit der das Vertragspreisniveau (Kapellmann/Schiffers) des alten Preises im neuen Preis je nach Preisqualität gewinn- bzw. verlustvergrößernd linear fortgeschrieben wird. Der linearen Preisfortschreibung sollte an sich ein Ende gesetzt werden. Tatsächlich ist lineare Preisfortschreibung über § 650c Abs. 2 BGB nach wie vor präsent. Denn mit der Vermutung in § 650c Abs. 2 Satz 2 BGB darf der Unternehmer weiter an die Urkalkulation anknüpfen. Er darf anknüpfen an einen für verdeckte Preismanipulationen empfänglichen Raum.

So wird der - an sich klar zu befürwortende! - Zweck der Neuregelung, nämlich "Spekulation einzudämmen" und zu einer "korrekten Ausschreibung" anzuhalten (BT-Drucks. 18/8486, Seite 55, Einführung zu § 650c BGB), konterkariert. Das ist die zutreffende Wertung von Lindner; BauR 2018, 1038, 1047. Durch die gesetzliche Vermutung der Maßgeblichkeit einer hinterlegten Urkalkulation werde geradezu dazu aufgerufen, solche Urkalkulationen im Hinblick auf zu erwartende Änderungen auszugestalten, so Lindner auf den Punkt gehend; ebenso Kniffka, Anordnungsrecht, Vergütungsanpassung und einstweilige Verfügung nach neuem Bauvertragsrecht, Schriftenreihe des Inst. für Bauwirtschaft und Baubetrieb an der TU Braunschweig, Heft 62, Seite 1, 17.

Unter anderen die §§ 650b BGB und 650c Abs. 1 und 2 BGB im neuen Bauvertragsrecht sollten im Jahr 2023 evaluiert werden. Dazu war und bleibt die Bundesregierung aufgefordert, im Wege einer rechtstatsächlichen Untersuchung zu prüfen, ob die Anpassung des Rechts an die speziellen Bedürfnisse des Bauvertrags ganz, teilweise oder nicht erreicht worden sind.

Mit einigen Aspekten des Für und Wider an den Preisbildungsregeln des § 650c Abs. 1 und 2 BGB befasse ich mich in meinem Aufsatz

Ambivalenz in § 650c Abs. 1, 2 BGB, oder: Vom beabsichtigten Fesseln und dann doch Entfesseln der Gewinn- bzw. Verlustgröße des alten Preises - ein Beitrag zur anstehenden Evaluation (BauR 2023, 1871)
Darin werden Thesen beleuchtet und Antithesen. Über alles betrachtet scheint mir letztlich eine Synthese gelungen zu sein.



Dr.-Ing. Matthias Drittler
(erstellt am 20.02.2024 um 18:15 Uhr)

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