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"Honorargutachten" zur HOAI 202X veröffentlicht - ein Kurzüberblick!

Das 619 Seiten starke Sachverständigengutachten zur Überarbeitung der Honorarberechnung in der HOAI ist veröffentlicht worden (sog. "Honorargutachten"). Es folgt auf das bereits Ende 2023 publizierte "Planungsbereichsgutachten" und bildet somit den Abschluss des zweistufigen Begutachtungsprozesses als Grundlage für die Novellierung der HOAI ("HOAI 202X").

Während das Planungsbereichsgutachten die Evaluierung des Leistungsbilder zum Gegenstand hatte, sollen mit dem nunmehr vorliegende Honorargutachten u. a. die Honorartafeln und die prozentualen Bewertungen der Leistungsbilder unter Berücksichtigung der im Planungsbereichsgutachten aufgezeigten Regelungen überprüft und fortgeschrieben werden. Der Endbericht besteht aus dem "Hauptgutachten" sowie dessen Anhängen, wobei hier insbesondere Anhang 5 hervorgehoben werden soll, der eine Synopse der HOAI-Bestimmungen aufbauend auf dem Planungsbereichsgutachten enthält.

Im Folgenden soll ein erster Überblick gegeben werden, wobei sich die Darstellung der leistungsbildspezifischen Inhalte auf das Leistungsbild "Objektplanung Gebäude" beschränkt.

Mitzuverarbeitende Bausubstanz

Der erste Bearbeitungsschwerpunkt liegt darin, eine Regelung für die Ermittlung der mitzuverarbeitenden Bausubstanz zu entwickeln.

Der Formulierungsvorschlag (siehe Anhang 5 - Synopse, S. 18 f.) weicht vom Planungsbereichsgutachten ab und lautet wie folgt:

"Der Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz im Sinne des § 2 Absatz 7 ist bei den anrechenbaren Kosten zu berücksichtigen und in Textform zu vereinbaren, zum Beispiel durch eine pauschale Erhöhung der anrechenbaren Kosten nach dem Anteil der mitzuverarbeitenden Bausubstanz am Objekt. Sofern keine Vereinbarung über den Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz in Textform getroffen wurde, ist dieser nach Menge, Kostenkennwert und Abminderungsfaktor zu ermitteln. Der Abminderungsfaktor ist dem Leistungsbild zu entnehmen. Maßgeblich ist der Planungs- und Kostenstand zum Zeitpunkt der Kostenberechnung oder, sofern keine Kostenberechnung vorliegt, zum Zeitpunkt der Kostenschätzung."

Die Grundformel ist also:

Bezugseinheit (z. B. m² Decke) * Kostenkennwert (z. B. Euro/m²) * Abminderungsfaktor (z. B. 0,70)


Der "Kostenkennwert" soll anhand der ortsüblichen, durchschnittlichen Kosten für einen fiktiven Neubau bestimmt werden ("äquivalenter Neubauwert"). Dabei kann auf Kostendatenbanken (z. B. BKI) oder Erfahrungswerte zurückgegriffen werden.

Der "Abminderungsfaktor" fasst den Zustandsfaktor einerseits und Leistungsfaktor andererseits zusammen (zu den Begriffen: Honorargutachten, S. 16), um die Berechnung zu vereinfachen. So wird z. B. für das Leistungsbild "Gebäude" ein übergreifender Abminderungsfaktor von 0,70 vorgeschlagen. Dieser (leistungsphasen-)übergreifende Abminderungsfaktor wird sodann leistungsphasenspezifisch aufgegliedert, um im Falle von getrennten Beauftragungen ebenfalls eine Bewertung vornehmen zu können (Honorargutachten, Abb. 1 auf S. 18).

Anderslautende Vereinbarungen der Parteien sind jedoch vorrangig zu berücksichtigen. So können die Parteien individualvertraglich vereinbaren, dass die mitzuverarbeitende Bausubstanz durch eine - wie auch immer ermittelte Pauschale - berücksichtigt oder mit einem erhöhten Umbauzuschlag abgegolten werden soll.

Honorarspannen vs. (Einheits-)Honorarwert

Das Honorargutachten spricht sich für eine Beibehaltung der "Honorarspannen", also der "Von"- und "Bis"-Werte, aus und folgt damit nicht der Empfehlung des Planungsbereichsgutachtens, einen einheitlichen Honorarwert (z. B. unter Zugrundelegung des Mittelsatzes) auszugeben (Honorargutachten, S. 71).

Neujustierung der Tafelgrenzen

Die seit Einführung der HOAI im Jahr 1976 unveränderten Tafelgrenzwerte sollen angepasst werden (Honorargutachten, S. 81 ff.), z. B. bei der Objektplanung Gebäude auf 100.000 Euro (zuvor: 25.000 Euro) als unterster Tafelwerte sowie 50.000.000 Euro (zuvor: 25.000.000 Euro) als oberster Tafelwert. Zu einer weitergehenden Tafelwertfortschreibung - das Planungsbereichsgutachten hatte bis zu 500 Mio. Euro angeregt - sahen sich die Gutachter mangels belastbarer Datengrundlage außerstande.

Honorartafelwerte

Den Hauptteil bildet die Untersuchung und Bestimmung der Honorartafeln. Zunächst werden vorbereitend die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen dargestellt (Honorargutachten, S. 21 ff.). Maßgebliche Einflussfaktoren für die Bemessung der Tafelwerte sind die "Baupreisentwicklung", "Kostenentwicklung" (Bürokosten, die sich wiederum aus Personalkosten und Sachkosten zusammensetzen), "Rationalisierung" und der "Mehr- oder Minderaufwand" aufgrund von Veränderungen bei den rechtlichen und technischen Anforderungen sowie der Änderungen der Leistungsbilder aufgrund des Planungsbereichsgutachtens im Betrachtungszeitraum seit 2013 (siehe Honorargutachten, S. 46 ff.). Dabei musste sich das Gutachten auf Sekundärquellen stützen, da innerhalb der 7-monatigen Bearbeitungszeit die Erhebung von belastbaren Primärdaten freilich nicht darstellbar war. Auf dieser Grundlage werden die Honorartafeln modelliert und fortgeschrieben (Honorargutachten, S. 111), wobei sowohl Tafelwerte mit einem Preisstand 2023 als auch mit einer Prognose bis 2026 zur Verfügung gestellt werden.

Die Honorartafeln der Objektplanung Gebäude mit Preisstand 2026 enthalten spürbare Steigerungen der Honorarwerte zwischen 33% (im mittleren und hohen Tafelbereich) und bis zu 91% (im niedrigen Tafelbereich) gegenüber den derzeit geltenden Tafelwerten. Beispielhaft für die Objektplanung Gebäude (in Klammern das Honorar nach den Tafelwerten der HOAI 2021):

Anrechenbare Kosten 5 Mio. Euro, Honorarzone III, von-Satz: 648.281 Euro (478.207 Euro)

Anrechenbare Kosten 20 Mio. Euro, Honorarzone IV, von-Satz: 2.712.726 Euro (2.047.281 Euro)


Anpassung der Prozentsätze

Das Honorargutachten sieht eine Anpassung der Prozentsätze für die Leistungsbilder vor (Honorargutachten, S. 79 ff.), am Beispiel der Objektplanung Gebäude wie folgt (in Klammern die Werte aus der HOAI 2021/2013):

LPH 1: 2,00 % (2,00 %)
LPH 2: 8,00% (7,00 %)
LPH 3: 17,00 % (15,00 %)
LPH 4: 3,00 % (3,00 %)
LPH 5: 24,00% (25,00 %)
LPH 6: 9,00 % (10,00 %)
LPH 7: 4,00 % (4,00 %)
LPH 8: 31,00 % (32,00 %)
LPH 9: 2,00 % (2,00%)

Einen erheblichen Mehraufwand sehen die Gutachter auch darin, dass die Umstellung der Leistungsbilder auf die DIN 276:2018-12 zu einer Erhöhung der Mindestgliederungstiefe bei den Kostenermittlungen führt (Honorargutachten, S. 94 ff.). Dieser Mehraufwand wird bei der Kostenberechnung auf das Neunfache des Aufwands taxiert, der bei Erstellung einer Kostenberechnung nach der "alten" DIN 276-1:2008-12 angefallen wäre. Allein deshalb sehen die Gutachter eine Erhöhung der Teilleistungsprozente in Leistungsphase 3 bei der Objektplanung Gebäude um 2,75% veranlasst (Honorargutachten, S. 100 f.).

Regelungen des Allgemeinen Teils der HOAI

Im Folgenden sollen die Punkte angesprochenen werden, in denen sich das Honorargutachten abweichend vom Planungsbereichsgutachten positioniert. In diversen Punkten schließt sich das Honorargutachten den Empfehlungen des Planungsbereichsgutachtens an, etwa hinsichtlich der neuen Prüfkaskade bei der Honorarzone unter § 5 Abs. 2 HOAI nF (siehe Anhang 5 - Synopse, S. 19) oder betreffend die Einführung von § 12 HOAI nF, wonach die anrechenbaren Kosten und das Honorar auch dann getrennt ermittelt werden sollen, wenn bei Leistungen an einem Objekt im Bestand auch ein Weiterungsbau geplant oder überwacht wird ((siehe Anhang 5 - Synopse, S. 26 f.).

BIM-Regelprozess

Das Planungsbereichsgutachten hat einen "BIM-Regelprozess" definiert. Das Honorargutachten empfiehlt, den Begriff der "Grundleistungen" durch "Standardleistungen" zu ersetzen, da die Grundleistungen (abschließend) in den Leistungsbildern beschrieben seien (Honorargutachten, S. 12, 122; Anhang 5 - Synopse, S. 13 f.):

"Der Regelprozess BIM ist in Anlage 1 geregelt und umfasst Standardleistungen, die im Rahmen von Flächen-, Objekt- oder Fachplanungen zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags, bei dem die Methode BIM vereinbart ist, regelmäßig auszuführen sind. Für die in der Anlage 1 benannten Besonderen Leistungen gilt Absatz 2."

Darüber hinaus kommt das Honorargutachten zu dem Schluss, dass "die BIM-Anforderungen nicht in die Honorartafeln einzurechnen, sondern zwischen den Vertragsparteien projektspezifisch zu vereinbaren sind". In den Honorartafeln sei der BIM Regelprozess "nicht per se enthalten". Die Gutachter berufen sich darauf, dass es aktuell an Definitionen fehle, da diese im Allgemeinen via AIA projektspezifisch geliefert würden (Honorargutachten, S. 12, 122).

Nachhaltigkeitsanforderungen

In die Honorartafeln sei eingeflossen, dass "im Rahmen der Grundleistungen hinsichtlich Nachhaltigkeit die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben geschuldet ", allerdings exklusive etwaiger "Leistungsanpassungen" aufgrund der EU-Gebäuderichtlinie und des Klimaanpassungsgesetzes (Honorargutachten, S. 12, 122; Anhang 5 - Synopse, S. 13 f.). Um dies klarzustellen, wird zugleich eine Ergänzung des § 2 Abs. 9 wie folgt vorgeschlagen:

"Im Sinne der Grundleistungen ist die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben gemäß Nachhaltigkeitsdefinition geschuldet."

Aufnahme des Kostenrahmens nach DIN 276:2018-12

Das Honorargutachten schlägt vor, neben der Kostenschätzung und Kostenberechnung auch eine Definition des Kostenrahmens in die Begriffsbestimmungen des § 2 HOAI aufzunehmen (Honorargutachten, S. 11 f.), da er ebenfalls Teil der Grundleistungen sei (siehe Formulierungsvorschlag der Grundleistung Buchst. c) der Leistungsphase 1 im Leistungsbild Objektplanung Gebäude nach Anhang 5 - Synopse, S. 164).

(Statischer) Verweis auf die DIN 276:2018-12

Der im Planungsbereichsgutachten vorgeschlagene Verweis wird kritisch gesehen. Einerseits sei die Formulierung verfassungsrechtlich bedenklich, andererseits bestehen generelle Bedenken gegen die statischen Verweisung (näher: Anhang 5 - Synopse, S. 17).

Planungs- und Bauabschnitte innerhalb eines Objekts

Das Planungsbereichsgutachten hat vorgeschlagen, den ehemaligen § 21 HOAI 1996 als § 11 HOAI nF wie folgt wiederzubeleben:

"Werden innerhalb eines Objekts eigenständige Planungs- oder Bauabschnitte gebildet, die dazu führen, dass die innerhalb einer Leistungsphase zu erbringenden Leistungen nicht einheitlich in einem Zuge erbracht werden können, so sind für diese Leistungsphase die anrechenbaren Kosten abschnittsweise zu ermitteln und das Honorar danach getrennt zu berechnen."

Das Honorargutachten stellt sich dagegen (Honorargutachten, S. 13 f.). Die Regelung widerspreche den bisherigen Bestrebungen des Verordnungsgebers, die HOAI um "vertragliche" Regelungen zu bereinigen. Sollte der Verordnungsgeber die Regelung gleichwohl einführen wollen, liefert das Honorargutachten folgenden Alternativvorschlag, der auch eine hinreichende Abgrenzung zu § 642 BGB schaffen soll:

"Werden innerhalb eines Objekts eigenständige Planungs- oder Bauabschnitte gebil det, die dazu führen, dass die innerhalb einer Leistungsphase zu erbringenden Leistungen nicht einheitlich in einem Zuge erbracht werden können, ohne dass der Anwendungsbereich des § 642 Absatz 1 BGB eröffnet ist, so sind für diese Leistungsphase die anrechenbaren Kosten abschnittsweise zu ermitteln und das Honorar danach getrennt zu berechnen."

Honorar bei Änderungen des Leistungsumfangs

Auch hier sieht das Honorargutachten Optimierungsbedarf gegenüber dem Planungsbereichsgutachten, und zwar in drei Punkten (Honorargutachten, S. 13; Anhang 5 - Synopse, S. 22 f.):

Erstens soll die Regelung sprachlich an § 650b BGB angepasst und vom gesetzesfremden Begriff der "Veranlassung" abgekoppelt werden:

"Sind einvernehmlich oder auf Anordnung des Auftraggebers Grundleistungen zu wiederholen, ist das Honorar für diese Grundleistungen entsprechend ihrem Anteil an der jeweiligen Leistungsphase zu berechnen."

Zweitens könne es nicht nur bei einer Änderung der Planungs- und Überwachungsziele zu Leistungsänderungen kommen, daher wird für Absatz 2 folgende Formulierung vorgeschlagen:

"Ändert sich der Vertrag einvernehmlich oder auf Anordnung des Auftraggebers (zum Beispiel bezogen auf die Planungs- oder Überwachungsziele oder die Größe der Fläche), so sind die Honorarberechnungsgrundlagen des § 6 für die Grundleistungen, die infolge der Änderung zu erbringen sind, anzupassen. Sind hierbei Grundleistungen zu wiederholen, gilt darüber hinaus auch Absatz 1. Für die Bestimmung der anrechenbaren Kosten, die sich aus dieser Änderung ergeben, ist der Kostenstand zum Zeitpunkt der Änderung maßgeblich."

Drittens und letztens stellt sich das Honorargutachten (S. 13) gegen den Vorschlag des Planungsbereichsgutachtens, unter § 10 Abs. 2 HOAI nF die Honorarminderung auch auf die Leistungsphase 7 zu erstrecken. Nach Auffassung des Honorargutachtens seien entsprechende Einsparungseffekt "nicht dargelegt", weshalb die Regelung dahingehend anzupassen sei, dass keine Honorarminderung für Leistungsphase 7 erfolge.

Bepunktung der Bewertungsmerkmale bei der Honorarzone

Im Zusammenhang mit § 35 Abs. 4 und 6 HOAI (nF) definiert das Honorargutachten die Bewertungspunkte und -spannen neu (Anhang 5 - Synopse, S. 22 f.).

Was noch? In aller Kürze!

- Neues Leistungsbild "Städtebaulicher Entwurf" mit entsprechender Honorartafel.

- "Dynamisierung" des Honorars bei den Leistungsbildern der Flächenplanung anhand der Indizes des Statistischen Bundesamtes.

- Die Örtliche Bauüberwachung für Verkehrsanlagen und Ingenieurbauwerken wird wieder in die Grundleistungen zurückgeführt. Diese Rückführung wurde bei der Bemessung der Leistungsprozentwerte der Leistungsphase 8 berücksichtigt.

Fazit

Wenn der Verordnungsgeber die Vorschläge umsetzt (und der Markt diese ohne Erwartung signifikanter Honorarnachlässe "annimmt"), dürfen sich die krisengebeutelten Planer über einen warmen Honorarregen freuen.



Thomas Ryll
(erstellt am 28.03.2025 um 13:17 Uhr)

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