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IBRRS 2017, 0609; IMRRS 2017, 0229
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Kein nachbarlicher Rechtsschutz gegen Biogasanlagen?

OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.09.2016 - 2 L 98/13

1. Ein Änderungsvorhaben unterfällt nicht der UVP-Vorprüfungspflicht nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG, wenn für das Grundvorhaben lediglich eine standortbezogene Vorprüfung vorgesehen ist, es sei denn, für das vorprüfungsbedürftige Grundvorhaben ist eine Einzelfallprüfung mit positivem Ergebnis tatsächlich schon durchgeführt worden (vgl. Urteil vom 10.10.2013 - 2 K 98/12; Beschluss vom 22.10.2015 - 2 M 13/15).*)

2. § 3b Abs. 3 UVPG gilt zwar auch für die Fälle der nachträglichen Kumulation, wenn also ein neues Vorhaben im engen räumlichen Zusammenhang mit einem anderen Vorhaben durchgeführt werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.2015 - 4 C 4.14 = BVerwGE 152, 219 [224 f.] = IBRRS 2015, 2250). Es muss sich aber - wie bei § 3b Abs. 2 UVPG - um ein Vorhaben derselben Art handeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.2015, a. a. O.).*)

3. Die fehlerhafte Auswahl des durchzuführenden Genehmigungsverfahrens - hier eines Baugenehmigungsverfahren anstatt eines vereinfachten immissionsschutzrechtlichen (Änderungs-)Genehmigungsverfahrens - bewirkt aus sich heraus keinen Abwehranspruch des Nachbarn. Der Vorbehalt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG, in dem die Öffentlichkeit nicht beteiligt werden muss, ist nicht drittschützend (BVerwG, Urteil vom 05.10.1990 - 7 C 55.89, 7 C 56/89 -, BVerwGE 85, 368 [372]; Urteil vom 20.08.2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352 [368 f.]).*)

4. Die Frage, ob eine Biogasanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB im Außenbereich privilegiert ist, hat allein objektiv-rechtliche Bedeutung; bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Privilegierung scheidet eine subjektiv-rechtliche Verletzung von Nachbarrechten aus (vgl. OVG BBg, Beschluss vom 07.04.2016 - 10 N 45.14).*)

5. Da der Außenbereich nach § 35 BauGB dazu dient, privilegierte Vorhaben wie etwa landwirtschaftliche Betriebe unterzubringen, müssen Eigentümer von Wohnhäusern im Randgebiet zum Außenbereich mit der Ansiedlung solcher Betriebe rechnen. Insofern ist ihre Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit gegenüber einer Wohnnutzung, die sich inmitten einer Ortslage befindet, deutlich herabgesetzt.*)

6. Für Grundstücksnutzungen, die im Einwirkungsbereich von bereits zu DDR-Zeiten in Ortsnähe errichteten und seit Jahrzehnten betriebenen Tierhaltungsanlagen liegen, kann die Zuordnung des Immissionswertes für Dorfgebiete nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) gerechtfertigt sein.*)

7. Für die Frage, ob die Baugenehmigung rechtswidrig ist und nachbarschützende Rechte verletzt, ist nicht die tatsächliche Bauausführung maßgeblich. Abzustellen ist vielmehr darauf, welchen Inhalt die Baugenehmigung hat.*)

8. Soweit nach den Bestimmungen der TA Luft Grenzwerte für Ammoniak- und Stickstoffeinträge einzuhalten sind, dienen diese nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit, sondern dem Schutz empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme. Damit kann sich ein Nachbar allenfalls dann auf die Verletzung einer drittschützenden Regelung durch Ammoniak- oder Stickstoffimmissionen berufen, wenn er Eigentümer von in der Nähe der emittierenden Anlage liegenden Flächen mit empfindlichen Pflanzen oder Ökosystem (etwa Waldflächen) ist (vgl. Urteil vom 24.03.2015, - 2 L 184/10).*)

9. Die Arbeitshilfe KAS-32 der Kommission für Anlagensicherheit kann als Orientierungshilfe für Gefahren beim Betrieb von Biogasanlagen durch Freisetzung von Schwefelwasserstoff, Brände und Explosionen sowie den unter Vorsorgegesichtspunkten gebotenen Abstand insbesondere zu Wohngebieten herangezogen werden. Wird der - unter Vorsorgegesichtspunkten ermittelte - "Achtungsabstand" eingehalten, ist auch davon auszugehen, dass die Anlage weder schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG noch sonstige Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorruft.*)

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